Mit 100 Jahren ist der Schauspieler Herbert Köfer verstorben
Den Tag der deutschen Einheit hat er nie vergessen. Nie die jubelnden, erhitzten Einheits-Gesichter, die alles, was war, hinter sich lassen wollten. Weg mit der DDR! Gehörte nun auch er zum Gestern? Er hatte an diesem 3. Oktober 1990 in Halle/Saale auf der Bühne gestanden. Gleich würde er siebzig Jahre alt werden. Im Westen kannte ihn kein Mensch. Herbert Köfer, der Volksschauspieler, ab sofort ohne Volk?
Als das Fernsehen der DDR am 21. Dezember 1952 auf Sendung ging, sprach er die ersten Fernsehnachrichten. 100 Prozent Einschaltquote! Um den Bildschirm nie mehr zu verlassen. Im Jahr 2 der deutschen Einheit würde man das Mitglied des Fernsehensembles Herbert Köfer dann entlassen, aber das konnte er noch nicht wissen, als er in dieser Oktober-Nacht der deutschen Einheit 1990 zurück fuhr nach Berlin und die Freude der anderen nicht teilen konnte.
Ausgerechnet er, der immer mitlachte, der es gewohnt war, selbst der Anlass des Lachens zu sein. Ohne Scheu selbst vorm TV-Show-Klamauk. Herbert Köfer, der Komiker, der Kabarettist (in der „Distel“). Was Herbert Köfer, den Nachrichtenmann nicht ausschloss.
Und nicht Köfer, den tragischen Helden (am Deutschen Theater). Wenn es sein musste, war der Arbeitersohn aus dem Prenzlauer Berg mehr Aristokrat als jeder gebürtige, so wie in dem großartigen Fallada-Mehrteiler des DDR-Fernsehens „Wolf unter Wölfen“ von 1964. Unvergessen auch sein SS-Mann Kluttig in Frank Beyers „Nackt unter Wölfen“. Ein Herbert Köfer stand den mindestens vier anderen nie im Wege, das ist selten.
Acht mal DDR-Fernsehliebling
Nur als Nachrichtensprecher wurde er bald abgelöst, mit dem Hinweis, Nachrichten müsse man sprechen, nicht spielen. Acht mal war er Fernsehliebling des DDR-Fernsehens gewesen. Herbert Köfer neigte sonst nicht zu Rückblicken auf sich selbst, dazu war er viel zu beschäftigt, auch mit 69 Jahren noch. Aber wie würde es mit siebzig sein?
Plötzlich ein dumpfer Knall, Stöße von vorn, von der Seite. Bremste er oder wurde er gebremst? Eine großes Rindvieh lag vor seiner kaum wieder zu erkennenden Kühlerhaube im Sterben auf der Autobahn. Der Münchner, der ihm hinten drauf gefahren war, schimpfte: „Blöde LPG-Kuh!“ Der nächste: „Scheiß Zonen-Rind!“ Warum fühlte er sich mit gemeint?
Als die Polizei eintraf, rief sie sofort: „Herr Köfer, Herr Köfer, was ist passiert? Sind Sie verletzt?“ Die Umstehenden tauschten Blicke: Woher kannte die Polizei diesen Typen? Das Rindvieh hat alles auf sich genommen, dachte der unverletzte Mann, dessen Auftritte, Theaterstücke, Filme bis dato auf keinen Kuhschwanz gingen.
Arbeiterkind aus dem Prenzlauer Berg
Das Rind hatte einen Vorgänger: Das Pferd, das den zwanzigjährigen Soldaten an der Ostfront 1941 mit der ganzen Wucht seines Hinterhufs traf und auf die lebensrettende Heimreise schickte. Als Arbeiterkind aus dem Prenzlauer Berg war er natürlich links, gegen Hitler wie sein Vater.
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Herbert Köfer teilte mit den späteren führenden Genossen der DDR dieselbe Kindheit: die Inflations- und Notjahre der Weimarer Republik. Die Versailler Verträge, die den Flugzeugbau verboten, hatten seinen Vater, den früheren Schlosser beim Flugzeugbauer Harlan in Berlin-Johannistal, zum Gelegenheitsarbeiter gemacht – Komparsenrollen am Admiralspalast inklusive. In den leuchtenden Augen des Sohns stand die eigene Zukunft.
Das Wissen, dass Hitler wohl keine Chance gehabt hätte ohne die Spaltung der Arbeiterklasse, ließ ihn im Juni 1946 in die SED eintreten. In seinen großen Rollen spielte er die Erfahrungen seiner Generation und die der Väter, so als Werkmeister Barberino in „Krupp und Krause“ oder als Verkäufer in – wieder Hans Fallada – dem unvergesslichen Fernseh-Mehrteiler „Kleiner Mann – was nun?“
Aufnahme ins Guinessbuch der Rekorde
Nach 1990 gelang Herbert Köfer der Nachweis, dass auch 70jährige, 80jährige, 90jährige und sogar fast 100jährige eine Zukunft haben – zumindest im Fernsehkrimi und auf der Bühne. 2017 wurde er als ältester noch berufstätiger Schauspieler ins Guinnessbuch der Rekorde aufgenommen.
Mit 99 Jahren, im September 2020, stand er für die ARD-Reihe „Polizeihauptmeister Krause“ vor der Kamera. Ohne jemals in den Ruhestand zu gehen, ist der Volksschauspieler, Moderator und Synchronsprecher Herbert Köfer am 24. Juli mit 100 Jahren gestorben.