Marcel Lotka steht unter besonderer Beobachtung
Neulich im Training hat sich Rune Jarstein ein Sonderlob verdient. „Sehr gut, Rune“, sagte Mark Fotheringham, der Co-Trainer von Hertha BSC.
Das Lob aber galt nicht etwa einer spektakulären Parade des norwegischen Torhüters. Fotheringham, Assistent von Felix Magath, freute sich einfach, dass Jarstein wütend war; wütend auf die eigenen Mitspieler, die bei der Verteidigung ihres Tores allzu nachlässig zu Werke gegangen waren.
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Jarstein, 37, steht seit mehr als acht Jahren bei Hertha unter Vertrag. 164 Bundesligaspiele hat er für den Verein bestritten und nicht nur wegen seiner historischen Verdienste genießt er ein hohes Ansehen. Jemanden wie Jarstein, verlässlich und unaufgeregt, hat vermutlich jeder gerne im Tor stehen. Genau deshalb hat vor etwas mehr als einem Jahr Pal Dardai Stammtorhüter Alexander Schwolow zur Nummer zwei degradiert und im Abstiegskampf auf den routinierten Norweger gesetzt.
Die Situation ist für Hertha auch jetzt wieder ernst. Die Berliner sind erneut tief in den Abstiegskampf verstrickt, nur der Trainer heißt jetzt nicht mehr Pal Dardai, sondern Felix Magath. Am Samstag, beim Auswärtsspiel gegen Borussia Dortmund, wird die Entscheidung fallen, ob Hertha sich schon am letzten regulären Spieltag der Saison vor dem Abstieg retten kann – oder ob dem Team noch eine Verlängerung in Form von zwei Relegationsspielen beschert wird.
Marcel Lotka ist bei Hertha die Entdeckung der Saison
Auf Herthas Spieler kommt also einiges zu. Und das gilt in ganz besonderem Maße für den Torhüter der Berliner, der auch am Samstag wieder Marcel Lotka heißen wird und nicht etwa Rune Jarstein oder Oliver Christensen. „Ich habe vollstes Vertrauen, dass der Marcel in sehr guter Verfassung zwischen den Pfosten stehen wird“, sagt Trainer Magath.
Der 20 Jahre alte Torhüter zählt bei Hertha zu den raren Entdeckungen einer Saison, in der es generell wenig zu entdecken gab; zumindest wenig Gutes. Zu Beginn der Saison war Lotka unter Herthas Keepern erst an Nummer fünf geführt. Als jedoch Stammtorhüter Schwolow Anfang der Rückrunde an Corona erkrankte und seine Konkurrenten Jarstein, Christensen und Nils Körber allesamt unpässlich waren, stieg Lotka überraschend zur neuen Nummer eins auf. Schwolow kehrte zurück, machte ein Spiel, verletzte sich im nächsten, und seitdem spielt Lotka. Neun Mal ist er in der Bundesliga zum Einsatz gekommen.
Der junge Torhüter mit polnischen Wurzeln strahlt Präsenz aus, er ist kommunikativ im Umgang mit seinen Kollegen und generell furchtlos. All das hat ihm viel Wertschätzung seines Trainers eingebracht. Vor einer Woche aber, bei der 1:2-Niederlage gegen Mainz, unterlief Lotka ein folgenschwerer Patzer. Einen harmlosen Schuss ließ er zum 1:0 für die Mainzer unter seinem Körper hindurchrutschen.
Die Sache muss wohl juristisch geklärt werden
„Er hat leider eine nicht ganz klare Vertragssituation“, sagte Magath später dazu. „In einer solchen Situation muss oder kann man Verständnis haben, dass er nicht zu hundert Prozent fokussiert ist.“
Lotkas Vertragssituation ist immer noch nicht ganz klar. Der Torhüter weiß aktuell nicht, ob er in der neuen Saison weiterhin für Hertha BSC spielen wird, wo er gute Chancen hätte, Schwolow dauerhaft als Nummer eins abzulösen. Oder ob er zu Borussia Dortmund wechselt, dem Gegner vom Samstag, bei dem der polnische U-21-Nationaltorhüter einen Vertrag unterschrieben hat, allerdings lediglich für die U 23 in der Dritten Liga.
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Lotka, in Duisburg geboren, hat sich schon Anfang des Jahres, also vor seinem Bundesligadebüt, für eine Rückkehr ins Ruhrgebiet entschieden. Sein Karrieresprung bei Hertha war damals nicht abzusehen, auch der Klub hat mit einer solchen Entwicklung wohl nicht gerechnet. Jedenfalls verkündete Hertha am 1. März auf der eigenen Webseite: „Unser U-23-Torwart Marcel Lotka verlässt unseren Hauptstadtclub nach Saisonende und schließt sich zur Spielzeit 2022/23 der zweiten Mannschaft von Borussia Dortmund an.“ Erst danach hat der Verein von seiner Möglichkeit Gebrauch gemacht, Lotkas auslaufenden Vertrag per Option zu verlängern.
Wie es nun weitergeht? „Das wird jetzt ein juristisches Ding“, hat Fredi Bobic, Herthas Sportgeschäftsführer, verkündet. Eine Reaktion von Dortmunder Seite gab es bisher nicht. „Wenn alles vorbei ist, dann wird geredet“, sagt Bobic.
Marcel Lotka wird an diesem Samstag also noch ein bisschen mehr unter Beobachtung stehen. Sorgen macht sich sein Trainer deswegen nicht. „Auf gar keinen Fall“, sagt Magath. Lotka habe den Fehler vor einer Woche gut weggesteckt; er habe sowohl im Spiel eine gute Reaktion gezeigt als auch in den Trainingseinheiten unter der Woche.
„Egal wie die Vertragssituation ist, er hat das Vertrauen der Mannschaft. Es gibt im Umfeld niemanden, der anzweifeln würde, dass er momentan die Nummer eins ist“, sagt Felix Magath. „Selbstverständlich wird er am Samstag zwischen den Pfosten stehen.“