Letzte Reste: Der Streit um den Namen „Tacheles“
Das Tacheles-Archiv spricht von „Diebstahl“ und sieht den Namen des einstigen Kunsthauses an der Oranienburger Straße schwer beschädigt. Grund ist der Einzug des Fotografiska Museums in die ehemaligen Räume – eine inzwischen restaurierte Ruine als letzte Reste eines luxuriösen Kaufhauses. Dass jenes Stück aus mit Ziegeln ummanteltem Stahlbeton überhaupt stehen geblieben ist, verdankt sich den Künstler:innen, die hier nach dem Mauerfall eingezogen sind. Nach der DDR wollte auch die Bundesrepublik Tabula rasa auf dem Grundstück machen.
Mehr als zwei Jahrzehnte hat sich das Tacheles halten können. Als kultureller Magnet, der die gesamte Gegend belebt hat. Und auch wenn man anmerken muss, dass es in der letzten Phase vor dem Umzug mehr Touristen als Kunstfans angezogen hat, ist der Ärger verständlich. Da schmückt sich jemand mit fremden Federn.
Christiane Meixner ist Redakteurin und verfolgt die Vorbereitungen zur Fotografiska seit geraumer Zeit.
Aber ist es wirklich das Fotografiska Museum, das als neue Ausstellungsadresse für internationale Fotografie – und als Mieter – seine Räume am 14. September zur Berlin Art Week eröffnet? Oder doch eher der Immobilieninvestor: Er bewirbt das gesamte Areal mit Shopping Mall und Luxuswohnen als neues Quartier „Am Tacheles“.
Auf der Website von Fotografiska findet sich hingegen kein einziger Hinweis auf den alten Namen. Auf Rundgängen durch das Haus bittet Direktor Yousef Hammoudah darum, das Fotografiska nicht mit dem alten Namen zu verbinden. Was die Journalist:innen natürlich trotzdem tun, weil „Tacheles“ unmittelbare Assoziationen weckt: Nahezu jede und jeder hat ein Bild im Kopf und weiß, wo das Kunsthaus angesiedelt war.
Was Hammoudah nicht kann: sich von den Treppenaufgängen voller (inzwischen historischer) Graffitis zu distanzieren. Sie gehören zur Ruine wie die architektonischen Zeugnisse des Kaufhauses und sind denkmalgeschützt. Von einer „unrechtmäßige Aneignung“ zu sprechen, wie es das Archiv nun tut, ist geradezu absurd. Das Fotografiska hat bereits auf dessen öffentliche Stellungnahme reagiert und möchte Besuchern mehr über die Schöpfer:innen aus Tacheles-Zeiten erzählen. Ein klärendes Gespräch vorab hätte wohl genügt. Aber es trommelt sich ja besser.