Kunstmesse Frieze: In London schaut alles auf die Superstars
Grund zum Feiern gäbe es: Vor zwei Jahrzehnten wirbelte die Kunstmesse Frieze von London aus den Kunstmarkt auf. Nicht nur die bis dahin eher schwach ausgeprägte Londoner Szene: Ein Jahr nach dem Start der Art Basel Miami Beach und im gerade einsetzenden Boom der zeitgenössischen Kunst stand und steht die Metropole für die Öffnung der Kunstwelt Richtung Design, Mode und Showgeschäft wie auch eine gnadenlose Kommerzialisierung von Kunst.
Doch ausgelassene Stimmung will nicht aufkommen. Zu ernst ist die Weltlage und zu ungewiss die Konjunktur. Es ist eher business as usual. Ein Gang durch die Zelte der Frieze und Frieze Masters, wo neben Antiquitäten und alten Meistern auch etablierte Kunst ab der Moderne gezeigt wird, vermittelt einen ähnlichen Eindruck wie vorherige Ausgaben. Als eher gefällig, mit auf Verkäuflichkeit getrimmten Ständen und wenig Überraschendem galt die Messe im Regent’s Park schon lange.
Soloschauen sind ein Risiko
Einzelpräsentationen, die als wirtschaftlich riskant gelten, waren und sind die Ausnahme. Doch sie finden sich auch in diesem Jahr. Bei Krinzinger aus Wien ist der ganze Stand Marina Abramovic und ihren weitgehend neuen Arbeiten gewidmet. Die aktuelle Ausstellung der Künstlerin in der Royal Academy legt die Wahl nahe. Timothy Taylor aus New York hat seinen Stand flächendeckend mit über 2000 Skizzen aus dem Atelier von Eddie Martinez gepflastert. Dazwischen hängen zwei Dutzend klein- bis mittelformatige Arbeiten, die als einzige verkäuflich sind. Bei Preisen zwischen 12.000 und 14.000 US-Dollar muss er schon alle verkaufen, um bei den hohen Kosten keinen Verlust zu machen.
Man muss schon auffallen
Umsatz ist eben nicht mehr unbedingt die Hauptsache bei einer Messeteilnahme, es geht vielmehr darum, Interesse zu erregen für die Galerie und ihre Künstler. Ganz in der Nähe inszeniert die Galerie Eigen + Art (Berlin/Leipzig) ihren Stand mit einer Tapete als knallbunte Bühne, auf der Martin Eder seine künstlerische Vision des Elysiums ausbreitet.
Ein bisschen muss man schon auffallen. „Es gibt nur noch lokale Messen“, fasst Galerist Judy Lybke ganz richtig zusammen. Auch London ist ein regionaler Markt mit einem regionalen Publikum. Die „Region“ ist allerdings sehr groß. Schließlich konzentriert sich hier Reichtum inklusive seiner Eigentümer aus aller Herren Länder.
Es sind die großen Trends, die sich an der Frieze und ihrem Umfeld beobachten lassen. Die verschärfte Konkurrenz zwischen den beiden Messekonzernen MCH (Art Basel) und Endeavor (Frieze) läutet eine neue Phase ein. Wohin die Reise geht, lässt sich sehr schön am Stand der Mega-Galerie Gagosian beobachten, die den Messebesucher mit einem fröhlichen Blütenmeer des britischen Star-Künstlers Damien Hirst auf zwölf großformatigen Leinwänden begrüßt.
Die ausgestellten Bilder sollen nach Angaben der Galerie bereits vor der VIP-Eröffnung der Messe verkauft sein, zum Stückpreis von 950.000 Dollar. Das macht aber nichts, schließlich handelt es sich um eine Serie von 92 Gemälden, 80 weitere folgen. Eine clevere Strategie: Der Vorrat ist groß, und die hohe Stückzahl vergleichbarer Werke garantiert eine hohe Liquidität auf dem Sekundärmarkt. Interessenten werden aber auch dennoch an der kurzen Leine gehalten, um die Nachfrage anzuheizen.
Ein Rekord für Julie Mehretu
Eine wandfüllende Arbeit der in Äthiopien geborenen und in den USA lebenden queeren Künstlerin Julie Mehretu hat gerade in Hongkong mit umgerechnet 9,3 Millionen US-Dollar einen neuen Rekord für ein Kunstwerk eines Afrika-stämmigen Künstlers erzielt. Da trifft es sich gut, dass sie nicht nur gerade mit der Kreation des 20. BMW Art Cars (noch ein Jubiläum!) beauftragt wurde, sondern auch eine monumentale Ausstellung in der White Cube Gallery im Süden Londons hat. Rund 30 großformatige Gemäde sind in der Halle in der Größe eine Flugzeughangars ausgestellt. Zu Stückpreisen um 2,5 Millionen US-Dollar, wie eine Galeriemitarbeiterin erzählt. Die Arbeiten haben zumeist einen gegenständlichen Hintergrund, etwa aus dem Ukraine-Krieg, der jedoch durch bis zu 40 Schichten schwarzer Farbe und ornamentartige farbige Bearbeitung bis zu Unkenntlichkeit abstrahiert ist.
Die Sammler stehen Schlange
Die Gemälde haben wall power, einen politischen Hintergrund – der allerdings nicht wehtut – und Investmentqualitäten. Seitens der Galerie ist zu hören, man hätte jedes Werk mehrfach verkaufen könne und sei daher in der glücklichen Lage, sich die Sammler auszusuchen, um die museale Verankerung der Künstlerin zu stärken.
Aus diesem kunstmarkttypischen Kommentar lässt sich durchaus etwas lernen: Der Gedanke, dass irgendwo da draußen insgesamt rund eine Milliarde Dollar auf ein Investment in Mehretus Arbeiten wartet, erscheint absolut nicht abwegig. In einem über die letzten zehn Jahre mehr oder minder stagnierenden Kunstmarkt bedeutet das eine Konzentration des Umsatzes auf wenige Positionen. Und dieses Phänomen wiederholt sich gerade bei vielen Kunstmessen.