Kunst-Biennale in Gwangju : Versöhnen und zusammenbringen
Am Sonntag geht im koreanischen Gwangju die 14. Biennale zu Ende. Es war eine ungewöhnliche Biennale, die vielleicht einen Wendepunkt in der internationalen Ausstellungspraxis andeutet. Ungewöhnlich, weil sie statt wie so viele zeitgenössische Ausstellungen auf radikale Kritik der Folgen des Kolonialismus, auf Versöhnung und auf Gemeinsamkeit gesetzt hat.
Statt Provokation, Heilung
Schon der Titel „soft and week like water“, der dem Daoistischen Text Dao De Jing entnommen wurde, spricht für sich. Wasser, das als ein fließendes Element Widersprüche „umarmen“ kann, ist eben eine treffende Metapher für das, was der Kuratorin Sook-Kyung Lee vorschwebte; statt Spektakuläres, Provokatives und Kritisches Versöhnung, Heilung und Solidarität heraufzubeschwören. Das gelang ihnen – obwohl sie sich nicht scheuten, eine ganze Reihe von Werken zu zeigen, die durchaus brisante Themen verhandelten.
Von den 79 Künstlern und Künstlerinnen kam die überwiegende Mehrheit aus dem asiatischen Süden, viele aus Korea. Obwohl sich die koreanische zeitgenössische Kunst vor allem durch digitale und Computer gesteuerte Kunst auszeichnet, zog es diese Biennale vor, Malerei, subtile Zeichnungen und handwerklich hergestellte Objekte zu zeigen. Eröffnet wurde sie mit einer großen Installation aus von der Decke hängenden, wie Zöpfe geflochtenen Seilen, Erde und einem Wasserbecken, in dem sich eine Videoprojektion spiegelte, der südafrikanischen Künstlerin und Heilerin Buhlebezwe Siwani. Die Projektion war eine Hommage an die Heilungskräfte der afrikanischen Frauen, die – wie die Künstlerin selbst – in sich afrikanische Spiritualität und Christentum vereinen.
Die Stadt Gwangju ist nicht nur bekannt für sein Handwerk, sondern auch wegen eines historischen Aufstandes. Hier begannen 1980 Massendemonstrationen, die brutal unterdrückt wurden. Die genaue Zahl der Toten kennt man bis heute nicht. Dieser Aufstand trug jedoch entscheidend zur Demokratisierung des Landes bei. Daher war es der Kuratorin wichtig, gerade hier an das Potenzial der Kunst, Widerstand zu leisten, zu erinnern.
Das aus Malaysia stammende Kollektiv Pangrok Sulap nahm sich der Demonstrationen an, um sie mit Fotos und mit großen, im Raum hängenden Holzschnitten zu vergegenwärtigen. Auch die aus Mexiko stammende Malerin, Aliza Nisenbaum, widmete ihre Bilder im Stil der neuen Sachlichkeit diesem Ereignis; sie zeigen die Performance „Someday in Spring“ der lokalen Gruppe Shin-myeong, die das traditionelle Maskentheater wieder ins Leben rief und die in diesem Stück sich dem Schicksal der Angehörigen der während der Proteste zu Tode gekommenen widmete.
Potenzial der Kunst
Viele Werke gingen auf Rituale ein, so auch die Installation aus Behältern des Mexikaners Noé Martínez, der als Nachkomme der indigenen Huastec während der Eröffnung durch rituelle Handlungen seine Vorfahren würdigte. Der in Guatemala lebende Edgar Calel arrangierte in seiner Installation entsprechend dem rituellen Brauch Obst und Gemüse als Geste des Danks an seine Vorfahren.
Kulturelle und ethnische Identität
Auch um kulturelle und ethnische Identität ging es in vielen Arbeiten. So befragte die in Abu Dhabi lebende, in Moskau geborene, Taus Makhacheva, in ihrer Videoarbeit am Beispiel ihres dagestanischen Großvaters, eines Dichters, die Akzeptanz der nichtrussischen Kultur in der Sowjetunion. Eine beeindruckende dokumentarische Projektion des Japaners Meiro Koizumi begleitet eine Gruppe in Korea lebender ukrainischer Flüchtlinge und geht dem Verlust der Identität der unter Stalin nach Kasachstan deportierten koreanischen Minderheit nach.
Zu nennen wären noch die riesigen Bilder des thailändischen Künstlers Thasnai Sethaseree, die wie Bilder des abstrakten Expressionismus aussehen, jedoch Collagen aus Farbflecken und Fotos sind.
An Vielfalt, die noch durch die internationalen Pavillons gesteigert wurde, hatte diese Biennale einiges zu bieten. In ihrem Ansatz forderte sie nicht nur den europäischen Kunstbegriff heraus. Es gelang ihr auch, den Zustand der Welt klug zu reflektieren, eingefahrene Denkmuster zu weiten.