Kristin Pudenz ist viel mehr als eine Randnotiz
Erschöpft, aber mit feinem Lächeln im Gesicht kam eine große Frau kurz vor Mitternacht aus den Katakomben des Olympiastadions in München gelaufen. Empfangen wurde Kristin Pudenz von einem kleinen Tross, von Trainern und Freunden. Das Erste, was ihr in die Hand gedrückt wurde, war ein Becher Bier. Es gab schließlich was zu feiern – außerdem stand schon der Bus startklar, der sie zur Dopingprobe bringen sollte. Und ein bisschen antidiuretisches Hormon kann da helfen.
Es war am Dienstag in all dem Lärm um die deutschen Goldmedaillengewinner:innen Gina Lückenkemper und Niklas Kaul ein wenig untergegangen. Deshalb an dieser Stelle förmlich: Kristin Pudenz, 29 Jahre alte Diskuswerferin aus Potsdam, hat bei den Europameisterschaften in München die Silbermedaille gewonnen. Mit einer persönlichen Bestweite von 67,87 Metern, nur hauchdünn geschlagen von Sandra Perkovic (67,95). Und die Kroatin ist im Gegensatz zu den Gegner:innen von Lückenkemper und Kaul nicht nur europäische Spitze, sondern auch global gesehen ganz vorne dabei.
Aber Kristin Pudenz ist kein Charakter, dem es um größtmöglichen Ruhm geht. Sie sei wegen der schlagzeilenträchtigeren Goldmedaillen überhaupt nicht traurig, sagte sie zu später Stunde dem Tagesspiegel. Der Teamgedanke sei stark ausgeprägt. Sie freue sich über die Erfolge der anderen mit. Und überhaupt: „Die Ergebnisse zeigen, dass die deutsche Leichtathletik etwas kann.“
[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier ür Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Dass Pudenz die Ausnahmeathletin Perkovic derart in Bedrängnis würde bringen können, war nicht unbedingt erwartet worden. Andererseits schien es auch nicht unmöglich. Erinnert werden sollte in diesem Zusammenhang an die Olympischen Spielen im vergangenen Jahr in Tokio. Dort gewann Pudenz ebenfalls die Silbermedaille – hinter der US-Amerikanerin Valarie Allman.
Doch zwischen Olympia und EM in München gab es auch noch die vermaledeiten Weltmeisterschaften vor wenigen Wochen in Eugene (USA). Pudenz passte sich dort der Gesamtleistung des deutschen Teams an und kam nur auf einen elften Platz.
Lange zu hadern ist aber nicht das Ding der Frau vom SC Potsdam, die sich schon manches Mal hochkämpfen musste. So hat sie sich den Satz „How we survive, is what makes us who we are“ – ein Songzitat der US-amerikanischen Band Rise Against – auf ihren rechten Oberarm tätowieren lassen, auf Deutsch: Wie wir überleben, macht uns zu dem, was wir sind. „Ich fand den Spruch passend, weil man sich immer irgendwie durchkämpfen muss, um irgendwo anzukommen“, findet sie.
Teamkollegin Claudine Vita holte noch Bronze
Am Dienstag hatte sie im Gegensatz zu dem Wettkampf bei den Weltmeisterschaften schnell ihren Rhythmus gefunden. Bereits im zweiten Versuch warf sie knapp über 65 Meter, dann fast 67 Meter und im fünften schließlich ihre persönliche Bestweite von 67,87 Metern.
Im ersten Moment habe sie sich geärgert, weil sie die Goldmedaille nur um die Winzigkeit von acht Zentimetern verpasst habe, sagte sie. Die Enttäuschung sei aber schnell der Freude über den tollen Wettkampf gewichen. „Sandra (Perkovic, d. Red.) ist ja immer so eine Kandidatin. Die lässt sich so einen Titel nur sehr ungern nehmen, auch wenn sie schon zum sechsten Mal Europameisterin geworden ist.“
Etwas untergegangen in der Euphorie um Kaul und Lückenkemper war dabei nicht nur Pudenz. Sondern auch ihre Teamkollegin Claudine Vita. Die Neubrandenburgerin erreichte ihre Saisonbestweite von 65,20 Metern und gewann die Bronzemedaille.
„Besser geht es fast nicht“, sagte Pudenz zu ihrem sowie dem gesamtdeutschen Ergebnis. Wäre doch bloß Andrea Perkovic nicht so gierig auf Titel. Aber das kann man der Kroatin nur wirklich nicht vorwerfen.