Kopfüber in den Graben

Von Woody Allen gibt es diese schöne Geschichte mit einem Helden namens Sandor Nadelmann. Als dieser einmal mit Freunden die Mailänder Scala besucht, beugt er sich in der Loge so weit vor, dass er in den Orchestergraben fällt. Obwohl das natürlich heftig schmerzt, gesteht Nadelmann nicht ein, dass ihm ein Missgeschick widerfahren ist. Er besucht die Oper Abend für Abend und wiederholt jedes Mal den Sturz; einmal zieht er sich dabei auch eine leichte Gehirnerschütterung zu. Sein Motto: lieber absichtlich leiden als sich tölpelhafterweise Schadenfreude aussetzen.

Diese Anekdote fällt einem unweigerlich ein, je länger man über das (neuerliche) Scheitern von Deutschland beim Eurovision Song Contest nachdenkt, für das in erster Linie der NDR verantwortlich ist. Seit Jahren versucht der Sender, dem europäischen Schlager-Pop und Konfetti-Furor etwas Konkurrenzfähiges entgegen zu stellen. Jahr für Jahr der Absturz, zuletzt am Samstagabend in Turin mit Malik Harris. Dessen Beitrag war beileibe nicht so schlecht, wie es der letzte Platz vermuten lässt. Es gab eben nur wieder kaum Punkte aus Polen, Italien & Co.

Wir können singen, was wir wollen, die Anderen mögen uns nicht

Das diesjährige Konzept hatte ja eine stärkere Einbindung einzelner Landesrundfunkanstalten vorgesehen. Die ARD-Popwellen sollten im Vorfeld Songs abspielen und Hörer abstimmen lassen. Zuvor hatte die deutsche ESC-Delegation fünf Künstler mit ihren Titeln ausgewählt.

Hat dem NDR und Deutschland nichts gebracht. Schon fordert die „Bild“: „Gebt den Song Contest dem BR, RBB, WDR, SWR, meinetwegen dem ZDF oder Astro TV – nur nicht mehr diesem unsäglichen NDR!“

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Wir haben zwei Alternativen. Zum einen: Deutschland lässt sich im ESC-Halbfinale krachend hinaus wählen, dass es gar nicht zur großen Blamage vor 200 Millionen Zuschauern kommt. Wir können singen, was wir wollen, die Anderen mögen uns nicht.

Zweiter Vorschlag, und damit zu Nadelmann und dem NDR, den ESC-Tölpeln und Wiederholungstätern. Der Sender verzichtet tatsächlich auf die Vorauswahl und überlässt es dem Privatfernsehen, RTL & Co., für deutsches Liedgut 2023 in der Ukraine zu sorgen. Schlechter als der NDR geht nicht. Das schmerzt.

Leider gibt es wenig Hoffnung. Der NDR werde den Vorentscheid für den ESC einmal mehr überarbeiten, teilte der Sender mit. Wie genau, werde bekannt gegeben, wenn es steht. Ab in die Oper.