„Ich möchte Frieden für meine Heimat“
Während sich die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Situation an der belarusisch-polnischen Grenze richtet, wo Tausende von Migranten bei Temperaturen um den Gefrierpunkt festsitzen, gehen im Land die Prozesse gegen Mitglieder der belarussischen Demokratiebewegung weiter. Mindestens 1109 von ihnen sind inzwischen in den belarussischen Gefängnissen inhaftiert, darunter 887 als politische Gefangene. Unter ihnen ist auch die 38-jährige Volha Zalatar (russisch: Olga Solotar), eine Mutter von fünf Kindern. Sie wurde am 18. März 2021 verhaftet, als sie ihre zehnjährige Tochter zum Musikunterricht bringen wollte.
Von Beginn der Proteste an besuchte sie Gerichtsprozesse, versuchte, Inhaftierten im berüchtigten Untersuchungsgefängnis Okrestina zu helfen und organisierte nachbarschaftliche Zusammenkünfte. Die Staatsmacht sieht darin die Gründung einer extremistischen Vereinigung sowie Organisation von und Teilnahme an Protestaktionen. Der Prozess gegen sie wurde am 15. November 2021 eröffnet. Am heutigen 3. Dezember 2021 ergeht das Urteil. Im Raum stehen fünf Jahre Haft im Straflager.
Seit Beginn der Prozesse im Sommer dieses Jahres ist das letzte Wort der Angeklagten gleichsam zu einem eigenen Genre geworden, denn es bietet eine der wenigen verbliebenen Möglichkeiten zu freier Meinungsäußerung in Belarus. Wir dokumentieren hier in der Übersetzung von Katharina Narbutovic Zalatars letzte Prozessworte vom 30. November.
Zalatars letzte Prozessworte
„Ich bin hier, weil ich kein gleichgültiger Mensch bin. Ich bin hier, weil ich nach Gottes Testament lebe. Ich bin hier, weil ich eine Mutter bin, die ihre Kinder beschützen möchte. Als Mutter und Katholikin trete ich für die Würde des Menschen und für geistige Werte ein. Alle meine Handlungen und Äußerungen sind von Liebe zu den Menschen und von Abscheu gegen Lüge und Gewalt getragen. Wir alle sind Kinder Gottes. Jeder hat das Potential dazu, diese Welt dem Reich Gottes vergleichbar zu machen, wo die Liebe regiert.
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In Gottes Reich gibt es keinen Hass, keinen Neid, keine Lüge, keine Rache, keine Angst. Es zerreißt mir das Herz, weil das Maß des Hasses steigt, die Zahl der Verletzungen und Beleidigungen zunimmt. Es braucht Buße und gegenseitige Vergebung. Nur so kann die gesellschaftliche und politische Krise im Land gestoppt werden. In den Prozessunterlagen wird meinen Handlungen ein Sinn zugeschrieben, den ich nicht für möglich gehalten hätte. Gewöhnliche menschliche Handlungsweisen, Reaktionen und Gefühle werden kriminalisiert.
In den Prozessunterlagen findet sich ein Foto von einem Plakat, auf dem ,Frieden. Liebe. Freiheit.’ geschrieben steht. Ich unterschreibe jedes einzelne Wort. Ich möchte Frieden für mein Heimatland. Ich möchte, dass in meinem Land Liebe zu Gott und zu den Menschen herrscht. Ich möchte mit einem Vers Umadzimir Karatkievims enden: ‚In Belarus ist Gott zuhaus.’ Es lebe Gott! Er lebe ewig.“ (Tsp)