Grundsteinlegung für das berlin modern: Das neue Museum am Kulturforum wird grün
Ein großer Moment. Auf einmal schwebt der viereinhalb Tonnen schwere Betonblock, in dem die Zeitkapsel des berlin modern steckt, an meterlangen Stahlseilen in der Luft. Die Grundsteinlegung des neuen Museums für das 20. Jahrhundert am Kulturforum hat mehr von einer Grundsteinhebung. Minutenlang verbleibt der Drei-Meter-Klotz zwischen Himmel und Erde.
Feierlich vollführt der Kran mit seiner symbolischen Fracht eine Dreivierteldrehung, als wäre es eine Monstranz, die der ganzen Stadt vor ihrer Versenkung in die Baugrube zumindest in drei Himmelsrichtungen noch einmal vorgeführt werden soll.
Zum Kranballett wummert der Sound von Drummer Deantoni Parks, der unter einem Zelt gegen den Regen geschützt die Regler und sein Schlagzeug bedient. Er macht die Grundsteinlegung zur Performance. Die Kunst legt letzte Hand an, das passt zum Ort. Schließlich hatten zuvor im benachbarten Mies van der Rohe Bau Museumsdirektor, Architekt, Regierender Bürgermeister und Kulturstaatsministerin das Wort.
Vier Jahre nach dem ersten Spatenstich im Dezember 2019 folgt nun der zweite traditionelle Akt. Damals war vor allem Eile geboten, um noch vor Jahresende den ungeduldig werdenden Sammlern zu demonstrieren, dass es mit dem geplanten Museum endlich etwas wird. Diesmal ist die Stimmung staatsmännischer. Von Demokratie wird viel geredet und dass sich die Kunst gegen Bedrohungen von Rechts wehren muss.
Der Erweiterungsbau der Neuen Nationalgalerie setzt dem einiges entgegen. Noch lässt die 16 Meter tiefe Baugrube nur erahnen, in welchen Dimensionen am Kulturforum ein neuer Anrainer emporwächst: 16.000 zusätzliche Quadratmeter für die Kunst. In drei Jahren soll der gegenwärtig mit Kosten in Höhe von 363,8 Millionen Euro bezifferte Bau fertiggestellt sein.
16.000
zusätzliche Quadratmeter für die Kunst
Sowohl Nationalgaleriedirektor Klaus Biesenbach als auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth übernahmen vor zwei Jahren das Projekt. Beide betonen, dass nunmehr Ökologie und soziale Offenheit eine größere Rolle spielen. Biesenbachs Vorgänger Udo Kittelmann applaudiert trotzdem freundlich zu den Reden, Roths Vorgängerin Monika Grütters ist gar nicht erst gekommen.
Das Schweizer Architekturbüro Herzog & de Meuron musste also manche Entwurfsänderung vornehmen. Bei der anschließenden Talkrunde danach befragt, ob ihn dies geschmerzt hätte, beteuert Jacques Herzog, das Prozessuale sei typisch für seine Arbeit. Die Ökologie sei eben wichtiger geworden. Man traut seinen Ohren kaum, gehörte doch die gigantisch umbaute Luft zu den größten Kritikpunkten am Entwurf.
Ein Traum von „Green Culture“?
Die aufgeholten Versäumnisse werden nun als Erfolgsgeschichte verkauft. Der Präsident des Umweltbundesamtes Dirk Messner feiert das berlin modern als Avantgarde-Modell, das die Standards von morgen antizipiere. Und Danyal Bayaz, der Finanzminister von Baden-Württemberg, das mit seinem Landesbetrieb Bundesbau das Projekt betreut, verweist stolz darauf, das Museum erfülle bereits bei seiner Eröffnung den für 2045 geforderten Energieeffizienzstandard.
Photovoltaik kommt nun aufs Dach, die Tragwerke sind reduziert, der Verbrauch hat sich von 103 Kilowatt-Stunden auf 43 verringert, und Recyclingmaterial wird eingesetzt, um die CO2-Bilanz zu verbessern – ein Traum von „Green Culture“ scheint plötzlich wahr zu werden.
Am stärksten zeigt sich die Wende im Außenbereich. Der Tiergarten soll ins Kulturforum herüberwachsen, schwärmt Stiftungspräsident Hermann Parzinger, ein grüner Teppich zwischen den Anrainern entstehen. Die „Tage im Grünen“ mit Musik, aufgestellten Pflanzenkübeln und Imbissständen im September 2022 und 2023 gaben einen Vorgeschmack auf die neue Aufenthaltsqualität in der bisherigen Ödnis.
Dankbar für solche Probleme
Klaus Biesenbach begeistert sich vor allem für die Kunst, die künftig zu sehen sein wird: Bisher sind nur drei Prozent der 5000 Nationalgalerie-Werke ausgestellt, immer wieder mussten Besucher abgewiesen werden, seit die Publikumszahlen zuletzt auf 650.000 gestiegen sind.
„Ich bin dankbar für solche Probleme“, kommentiert der Museumschef die Zahlen kokett und spricht sich damit wohl auch Mut für die Zeit zu, wenn das Museum eingerichtet wird. Zuletzt wurde der Abzug wichtiger Werke der Sammlung Marx bekannt, ein erster Dämpfer.
Stattdessen liefert Biesenbach die schönste Erklärung, warum der Namen des neuen Museums kleingeschrieben wird: „Kunst ist tägliche Praxis, sie schläft nie“, sagt er. Deshalb sei auch das berlin modern kein Substantiv, sondern ein Verb. Die nächsten vier Jahre muss es erst einmal entstehen.