Größte Digitalkonferenz Europas: Das waren die Höhepunkte der Republica 24

Ein bisschen ist die Republica wie das Internet selbst. Je nachdem, wo man abbiegt auf der größten Digitalmesse Europas, die dieses Jahr in der Station Berlin am Gleisdreieck stattfand, taucht man in komplett unterschiedliche Welten ein. Es gibt Programm auf 28 Bühnen, mehr als 800 Sessions, über 1500 Sprecher und Sprecherinnen, auf den Gängen tanzen Roboter und Bernd das Brot.

Unmöglich, alles zu sehen. Und so muss jeder Gast selbst auswählen, welcher Bubble man sich widmen will. Das macht jede Republica-Erfahrung so individuell wie die Search-History bei Google.

Der Rechtsruck war eines der wichtigsten Themen

Eines der größten Themen war in diesem Jahr der Rechtsruck in Europa. Am Montag hielt Jean Peters vom Medienunternehmen Correctiv auf der größten Bühne einen Vortrag über die Recherche, die Anfang des Jahres das Land aufrüttelte. Die Veröffentlichung von „Geheimplan gegen Deutschland“ über ein Treffen von AfD-Politikern, Neonazis und Unternehmern in einem Hotel nahe Potsdam hatte Demos in ganz Deutschland zufolge.

Auf der Republica erzählte Peters, wie er und seine Kollegen ein Floß gemietet haben, um Fotos des Geheimtreffens vom See aus machen zu können und wie er verkleidet mit Bart, Brille und gefärbten Haaren heimlich Videos der Namenskarten der Anwesenden machte. Er endete mit einem Appell für ein AfD-Verbot. „Es gehört nicht zur Gesetzeslage in Deutschland, den Faschismus wählen zu dürfen.“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Am Dienstag beschäftigte sich Bijan Moini, Jurist bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte, in seinem Vortrag intensiver mit der Möglichkeit eines AfD-Verbots. Sein Fazit: Der politische Kampf habe immer Vorrang, Parteiverbote seien hochproblematisch, aber im Extremfall legitim. Ob ein solcher Extremfall bei der AfD vorliegt, wisse man noch nicht – es brauche dafür eine systematische Prüfung durch Polizei und Verfassungsschutz, die derzeit noch nicht stattfinde.

„Demokratie ist mehr als der Wettbewerb zwischen Parteien“, so der Jurist. Minderheiten gelte es zu schützen, genau wie den Rechtsstaat – sonst sei keine Demokratie möglich. Die Sorge, dass ein Scheitern des Verbotsverfahrens zu einer weiteren Radikalisierung der Partei führen könnte, da sie sich dann legitimiert sieht, teilte er allerdings.

Ist Künstliche Intelligenz Rettung oder Untergang?

Natürlich geht es bei einer Digitalmesse aber nicht nur um Politik, sondern auch um Wissenschaft und Technik, allen voran Künstliche Intelligenz – wobei ja auch die hochpolitisch ist. Zwei sehr unterschiedliche Standpunkte dazu waren am Dienstag zur hören.

Payal Arora ist Professorin für inklusive KI-Kulturen an der Uni Utrecht. Sie sprach sich auf der Republica für mehr Optimismus aus: Junge Leute aus dem globalen Süden würden sehr viel optimistischer in die Zukunft und auf digitale Technologien blicken. Social Media etwa sei für viele, die in patriarchal geprägten Gesellschaften mit autoritären Regimen aufwachsen, eine Flucht aus ihren Verhältnissen. Schwule Jungs aus Uganda können sich im Internet outen, Mädchen aus Ländern wie Indien, in denen Themen wie Menstruation oder Sex oft tabu sind, können sich informieren.

Payal Arora auf der Republica.

© Jan Zappner / re:publica

Jugendliche im Iran derweil nutzen KI-generierte Bilder von Frauen ohne Kopftuch, um gegen das Hijab-Gebot zu demonstrieren, ohne dabei andere in Lebensgefahr zu bringen. Fragen von mangelnder Authentizität seien hier fehl am Platz, so die Professorin. Denn wer in einem Land lebt, in dem man unterdrückt wird, kann sich durch künstlich hergestellte Inhalte oft authentischer ausdrücken, als es in der Realität erlaubt ist.

Wir müssen mit den Technologien arbeiten, nicht gegen sie.

Payal Arora, Professorin für inklusive KI-Kulturen

„Es braucht mehr Nuancen in der Diskussion“, sagt Arora. Durch die negative Berichterstattung im Westen seien viele so deprimiert, dass sie handlungsunfähig würden. Dabei müsse man gemeinsam daran arbeiten, Big Tech zu bekämpfen, Alternativen zu schaffen und Algorithmen weniger rassistisch zu machen, indem man sie mit neuen Inhalten füttert. „Wir müssen mit den Technologien arbeiten, nicht gegen sie“, so Arora.

Der Kolonialismus der Tech-Giganten

Deutlich weniger optimistisch blicken die Kommunikations-Professoren Ulises Mejias und Nick Couldry auf die Thematik. In ihrem Vortrag „Data Grab“ zogen sie Parallelen zwischen den Praktiken der heutigen Tech-Giganten mit dem historischen Kolonialismus. Während damals Land entzogen wurde, würden heute Daten entzogen. Das eigentlich schon bewohnte Land wurde damals von den Kolonisatoren als verfügbar angesehen, genauso wie heute unsere Daten. „Aber, dass Daten genommen werden können, ist nicht natürlich“, so die Professoren. „Plattformen müssen so designt sein, dass sie das tun können.“

Eindrücke von der Republica 24 in der Station Berlin.

© Anne Barth / re:publica

Damals wurde Fortschritt, göttliche Rettung und Wohlstand versprochen, heute Fortschritt, Gemütlichkeit und Community. Um sich dem „Data Grab“ entgegenzustellen, und Daten zu „dekolonialisieren“, brauche es verschiedene Wege. Etwa durch Regulierung oder Mitarbeitende der Tech-Firmen, die aufbegehren, durch Proteste und indem sich der kolonisierte Raum wieder angeeignet und eine digitale Souveränität erschaffen wird.  

Baerbock, Habeck, Lauterbach – alle waren da

Wer die Republica nutzen wollte, um Spitzenpolitiker live zu erleben, konnte auch das tun. Diesmal waren unter anderem Annalena Baerbock, Ursula von der Leyen und Robert Habeck da. Am Mittwoch stand der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) knapp eine Stunde lang dem Republica-Mitbegründer Johnny Haeusler und dem Publikum Rede und Antwort – passend zum diesjährigen Motto der Konferenz, „Who cares?“.

Karl Lautebach (links) und Johnny Haeusler auf der Republica.

© Jan Zappner / re:publica

Es ging um die Legalisierung von Cannabis („Wir haben Leute kriminalisiert, die wir nicht hätten kriminalisieren dürfen“), um ein Ende der Finanzierung von Homöopathie durch Krankenkassen („Wir fallen der Wissenschaft damit in den Rücken“) und um das Zweiklassensystem in der Krankenversorgung („Menschen müssen bei der Bildung und der Gesundheit die gleichen Chancen haben, unabhängig von der Herkunft“). Lauterbach kritisierte die vielen Lobbyisten, die Gesetze oft auf den letzten Metern „kastrieren“ würden. „Der Gesundheitsbereich ist umkämpfter als jeder andere Bereich.“ Es handele sich um einen Markt von 450 Milliarden Euro, so viel, wie der gesamte Bundeshaushalt.

Lauterbach nutzte die Chance, um sein Pflegekompetenzgesetz anzupreisen und erklärte mit gewohnt trockenem Humor das Dilemma der „Boomer-Zange“: „Ich habe immer weniger Boomer, die die steigende Zahl von kranken Boomern versorgen können.“ Bis zu 50.000 Ärzte könnten bald fehlen. Deshalb brauche es mehr Studienplätze, Krankenkassen und die Länder sollen sich gemeinsam an den Kosten beteiligen – dann könnte auch der NC sinken.

Digitalisierung war natürlich auch Thema, der Gesundheitsminister ist selbsterklärter „KI-Nerd“. Doch er hatte gleich eine enttäuschende Nachricht: „KI wird in der Medizin eine riesige Rolle spielen“, so Lauterbach. „Aber am wenigsten in der Pflege.“ Diese sei Menschenarbeit, die Vorstellung, von pflegenden KI-Robotern sei „eine Fata Morgana“ und würde nur von jenen gefordert, die selbst noch nie in Pflege gewesen waren. Wo hingegen KI schon bald Ärztinnen und Pflegekräfte entlasten könnte, ist bei der Dokumentation, die künftig automatisiert während des Gesprächs zwischen Arzt und Patient stattfinden soll. „Dann macht der Beruf auch wieder mehr Spaß“, so Lauterbach.