Ein Vorbild, ein Gentleman, ein Star
Oprah Winfrey war zehn Jahre alt, ihre Mutter arbeitete als Zimmermädchen, in der ärmlichen Wohnung lief der Fernseher: Doch plötzlich war da ein Schwarzer zu sehen, der einer Limousine entstieg, im Smoking, um an der Oscar-Zeremonie teilzunehmen. „Ein Schauer durchfuhr mich“, erzählte Winfrey 2010 rückblickend. Rassentrennung war damals, 1964, in den USA eine brutale Realität. Doch dieser Mann, der ihre Hautfarbe hatte, gewann tatsächlich einen Academy Award, als erster Afroamerikaner überhaupt in der Kinogeschichte.
Es war ein langer Weg für Sidney Poitier bis zu diesem Triumph. 1927 in Miami geboren, wächst er auf den Bahamas auf. Sein Vater arbeitet in der Landwirtschaft und kann seinem Sohn nur eine einfache Schulbildung ermöglichen. Im Alter von 15 Jahren wird er nach Florida zu seinem älteren Bruder geschickt, nimmt diverse Jobs an, geht drei Jahre später nach New York. Dort kommt er mit dem Theater in Berührung, beschließt, Schauspieler zu werden, trainiert sich seinen Bahamas-Akzent ab.
1950 wird er für Hollywood entdeckt
Er erhält ein Engagement in Harlem beim America Negro Theatre, schafft es an den Broadway, wird 1950 vom Hollywood-Produzenten Darryl F. Zanuck entdeckt. Seine erste Filmrolle ist die eines jungen Arztes, der von einem rassistischen Patienten abgelehnt wird.
Mühsam verläuft die Karriere im Filmbusiness zunächst, 1958 steht er dann gemeinsam mit Tony Curtis vor der Kamera, in Stanley Kramers „Flucht in Ketten“ – und erhält seine erste Oscar-Nominierung. Mit zwei Filmen, die überwiegend mit Schwarzen besetzt sind, etabliert er sich dann endgültig. 1959 spielt er die männliche Titelrolle in der Verfilmung von George Gershwins Oper „Porgy und Bess“, 1961 folgt „Ein Fleck in der Sonne“.
Den ersten Oscar erhält er 1964
Und dann kommt 1963 „Lilien auf dem Felde“: Sidney Poitier trifft in der Wüste Arizonas auf fünf Frauen. Es sind Nonnen, die aus der DDR geflohen sind, kaum Englisch sprechen. Er bleibt, baut ihnen schließlich eine Kirche auf ihrem Gelände. Bei den Berliner Filmfestspielen erhält er einen Silbernen Bären für „Lilien auf dem Felde“, 1964 folgt der Oscar. In diesem Jahr kehrt er auch zur Berlinale zurück, diesmal als Leiter der amerikanischen Delegation.
In „Rat mal, wer zum Essen kommt“ ist Poitier 1967 ein Mediziner und Nobelpreisanwärter. Dennoch bringt die Hautfarbe ihres zukünftigen Schwiegersohns ein von Spencer Tracy und Katharine Hepburn gespieltes Ehepaar an die Grenzen ihrer scheinbaren Liberalität.
Poitier arbeitet auch als Regisseur
Ab den 1970er Jahren arbeitet Poitier auch als Regisseur, dreht mit Harry Belafonte und Bill Cosby. 1988 kehrte er auf die Kinoleinwand zurück, 2001 spielt er seine letzte Rolle im TV-Film „The Last Brickmaker in America“.
Poitier ist ein Star ohne Skandale, ein liebevoller Vater für seine sechs Kinder – und ein Rollenvorbild, ebnet späteren Hollywood-Größen wie Morgan Freeman und Denzel Washington den Weg. 2002 erhält er einen Ehren-Oscar für sein Lebenswerk, 2009 empfängt er aus den Händen von Barack Obama die „Presidential Medal of Freedom“. Bereits 1974 hatte ihn die Queen zum Sir gemacht. Zu seinem stets bewunderten, kultivierten Erscheinungsbild passte diese Auszeichnung perfekt. Sidney Poitier wurde 94 Jahren alt.