Ein neuer Chef und drei Punkte
Es war Mitte der ersten Halbzeit, Niklas Dorsch brachte Santiago Ascacibar im Mittelfeld ziemlich heftig zu Fall. In der Folge entwickelte sich ein Disput mit vielen Beteiligten. Mittendrin auf Seiten von Hertha BSC: Kevin-Prince Boateng.
Wenig später holte sich der Mittelfeldspieler nach einem taktischen Foul an Dorsch die Gelbe Karte ab. Und bei Spielunterbrechungen dirigierte er seine Teamkollegen im Auswärtsspiel beim FC Augsburg lautstark.
Erst in dieser Woche hatte Trainer Felix Magath angemerkt, dass es eigentlich nur einen Führungsspieler bei Hertha gibt: Kevin-Prince Boateng. So beorderte er den 35-Jährigen, der zuletzt vor mehr als einem halben Jahr von Beginn an gespielt hatte, in die Startelf.
Dass er nicht mehr die Schnelligkeit früherer Tage hat, ist bekannt. In Sachen Präsenz und in den Zweikämpfen, die er fast alle gewann, überzeugte Boateng aber vollkommen und übernahm die Rolle des Chefs auf dem Rasen. Wie auch Hertha den Kampf diesmal voll annahm und in Augsburg 1:0 (0:0) gewann. Es war der erste Auswärtserfolg in der Fußball-Bundesliga nach neun Versuchen ohne Sieg. In der Tabelle resultiert daraus der Sprung von Rang 17 auf 15.
„Ich habe die Woche hart trainiert und wurde dafür heute belohnt. Ich denke, ich habe das ganz gut gemacht und sehe doch noch nicht aus wie Spieler, der schon fertig ist“, sagte Boateng, der knapp 70 Minuten spielte, bei Sky. „Es gab so viel Kritik an der Mannschaft und an meiner Person. Es war einfach ein wichtiger Sieg für uns mental.“
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Magath habe gesagt, er solle sein Ding machen, die Mannschaft mitreißen und Ordnung reinbringen, erzählte Boateng. Das tat er. „Aus meiner Sicht war es eine großartige Mannschaftsleistung. Ich möchte ungern nur über einen sprechen“, sagte Magath. Fand aber mit Blick auf Boateng: „ Prince ist ein Spieler, der Verantwortung übernimmt und Selbstvertrauen hat. Er führt und redet mit den Spielern.“
Im Vergleich zum 1:4 gegen den 1. FC Union hatte Magath seine Startformation auf gleich fünf Positionen verändert. Stevan Jovetic fehlte verletzt, Linus Gechter war erkältet, Vladimir Darida saß auf der Bank und Julian Eitschberger sowie Myziane Maolida waren gar nicht im Kader.
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Selbiges galt für Stürmer Ishak Belfodil, der laut Sportgeschäftsführer Fredi Bobic keine gute Trainingswoche hatte. Neu dabei waren neben Boateng auch Davie Selke, Marvin Plattenhardt, Suat Serdar und Marco Richter.
In der Anfangsphase war Hertha darum bemüht, defensiv stabil zu stehen – was erst einmal misslang. Nachdem Lucas Tousart den Ball in der zweiten Minute am eigenen Strafraum gegen Mads Pedersen verloren hatte, passte dieser zu Michael Gregoritsch. Dessen Schuss verfehlte das Tor.
Ansonsten hatte Hertha die Sache im Griff. Es gab für den FCA nur eine größere Chance durch Alfred Finnbogason, Torwart Marcel Lotka war zur Stelle. Danach war bis zur Pause von Augsburg abgesehen von einem Freistoß von Gregoritsch wenig zu sehen.
Das Spiel war vor 28 533 Zuschauern immer wieder kurz oder länger unterbrochen. Mehrere Minuten ruhte die Partie, nachdem Dorsch und Ascacibar zusammengeprallt waren. Beide spielten mit einem Kopfverband weiter.
Dorsch war zuvor auch außerhalb des Feldes behandelt worden und in dieser kurzen Überzahl kam Hertha in der 21. Minute zur ersten guten Chance: Nach einer präzisen Hereingabe von Plattenhardt ging der Schuss von Peter Pekarik über das Tor.
Danach trauten sich die Berliner in der sehr hektischen Partie insgesamt mehr nach vorn zu. Ein Tor gelang bis zur Pause nicht, aber mit Anpfiff der zweiten Halbzeit störte Hertha den Gegner früh. Und wurde schnell belohnt.
Nach einem Einwurf der Augsburger eroberten die Gäste den Ball, Richter brachte ihn nach Doppelpass mit Selke nach innen. Dort vollendete Serdar herrlich mit der Hacke, vor der Bank umarmten sich Magath und Assistent Mark Fotheringham lange.
Gregoritsch trifft für den FC Augsburg die Latte
Serdar und Richter, die beide in der Rückrunde noch nicht richtig zum Zuge kamen, waren auch an der nächsten gefährlichen Szene beteiligt. Nach ihrer Kombination ging Richters Schlenzer vorbei. Anschließend meldete sich Augsburg zurück. In der 55. Minute prallte ein Kopfball von Gregoritsch auf die Latte.
Die Gäste kämpften weiter verbissen um die so wichtigen drei Punkte. Dabei ließen sie wenig zu. Etwa 15 Minuten vor dem Ende schoss Iago aus aussichtsreicher Position über das Tor. Auch im Hinspiel hatte Hertha 1:0 geführt – und in der siebten Minute der Nachspielzeit den Ausgleich durch Gregoritsch kassiert. Es war das letzte Spiel von Trainer Dardai.
Diesmal betrug die Nachspielzeit gut fünfeinhalb Minuten – und Hertha brachte den Sieg nach Hause. „Wir haben endlich das gezeigt, was man im Abstiegskampf zeigen muss und gleich Erfolg gehabt. Das tut uns gut“, sagte Magath, der den Sieg „lebensnotwendig“ nannte. (Tsp)