Ein Ausflug in die dunkle Vergangenheit
Achtzehn Monate sind in einer Fußballkarriere eine sehr lange Zeit. Als Frederik Rönnow zum letzten Mal in Gelsenkirchen spielte, steckte er mitten in seiner wohl schlimmsten Saison als Profi. Im März 2021 stand Schalke 04 kurz vor dem Abstieg und Rönnow kurz vor der zweiten Verletzung innerhalb weniger Monaten. Elf Bundesligaspiele hatte er unter vier verschiedenen Trainern für Schalke bestritten und dabei satte 27 Tore kassiert.
Am Samstag kehrt Rönnow mit dem 1. FC Union erstmals nach Gelsenkirchen zurück, und der Ausblick könnte kaum unterschiedlicher sein. In der vorletzten Saison hatte er mit Schalke einen der dramatischsten Abstürze der Bundesligageschichte erlebt. Heute genießt er mit Union einen ihrer bemerkenswertesten Höhenflüge.
[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
„Natürlich ist es jetzt ganz anders“, sagte Unions Torwart am Mittwoch. „Diese Saison auf Schalke war so schwer. Da war so viel Druck, der erste Sieg war so lange nicht da.“ Bei Union hingegen gehe es seit seiner Ankunft im Sommer 2021 nur in eine Richtung. Nach oben.
Das gilt nicht nur für die Mannschaft, die nach drei Spieltagen auf Platz drei liebt und sich nun auf die bevorstehende Gruppenphase in der Europa League vorbereitet. Es gilt auch für Rönnow persönlich.
Rönnow besetzte lange die Rolle des Pechvogels
Seit seiner Ankunft in Deutschland 2018 spielte der dänische Torwart lange die Rolle des Pechvogels. Sowohl bei Eintracht Frankfurt als auch auf Schalke hatte er ständig mit Verletzungen zu kämpfen, konnte sich nie als Stammkeeper durchsetzen.
Nach seinem Wechsel zu Union sah es zunächst so aus, als ob dieser Trend sich fortsetzen würde. Lange spielte er neben Andreas Luthe nur zweite Geige, und erst im März wunderte sich der dänische Nationaltrainer Kasper Hjulmand öffentlich darüber, warum Rönnow nicht mehr Einsätze bekam. Doch seit dem Frühling ist alles anders.
Luthe verletzte sich Ende März, und Rönnow nutzte seine Chance. In den letzten Wochen der Saison bewies er sich mit starken Leistungen, und im Sommer verließ Luthe den Verein in Richtung Kaiserslautern. In der neuen Spielzeit war Rönnow bisher die klare Nummer eins im Tor der Köpenicker.
Sein Standing bei Hjulmand und der Nationalmannschaft dürfte sich dadurch wohl kaum ändern. Bei den Nations-League-Spielen im Sommer war Rönnow angeschlagen und stand deshalb gar nicht im Kader. An Kasper Schmeichel kommt er ohnehin nicht vorbei. Zur WM in Katar dürfte er höchstens als Ersatzmann mitfahren.
Doch das sieht der 30-Jährige locker. „It is what it is“, seufzte er grinsend auf Englisch, als er zum Konkurrenzkampf mit Schmeichel befragt wurde. „Ehrlich gesagt: Ich habe in den letzten Jahren in Deutschland nicht so viel gespielt, und er hat immer in der Premier League gespielt. Da kann ich schwer sagen, dass ich in der Nationalmannschaft vor ihm spielen muss.“ Sein Fokus, so der Däne, liege daher eher auf Union.
[Mehr guten Sport aus lokaler Sicht finden Sie – wie auch Politik und Kultur – in unseren Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken. Hier kostenlos zu bestellen: leute.tagesspiegel.de]
Denn auch in Köpenick gibt es Konkurrenz, und Rönnow musste sich erst an die Rolle des Gejagten gewöhnen. Neben seinem Landsmann und langjährigen Freund Jakob Busk hat er nun auch den von Leverkusen ausgeliehenen Lennart Grill im Nacken.
„Lennart ist ein guter Torwart und will auch immer spielen“, sagte Rönnow. Er sympathisiert mit seinem Teamkollegen, der nun in einer ähnlichen Situation steckt wie er selbst noch vor einem Jahr. „Als Nummer zwei ist es immer schwierig. Du kannst im Training alles besser machen, aber wenn die Nummer eins im Spiel gut ist, dann bleibt er auch die Nummer eins.“
Am Freitag ist Europacup-Auslosung
Das ist Rönnow bisher gut gelungen, auch wenn er beim Anschlusstreffer der Leipziger am vergangenen Wochenende nicht ganz so souverän aussah. Nach sieben Punkten und zwei Gegentoren in den ersten drei Spielen können er und seine Kollegen aber durchaus zufrieden sein und mit Hoffnung auf die kommenden Europapokalspiele blicken.
Auf wen man in der Gruppenphase treffen wird, erfährt Union bei der Auslosung am Freitag. Neben den Traumlosen wie Manchester United könnte es für Rönnow auch eine Rückkehr in die Heimat geben. Für den im jütländischen Horsens geborene Torhüter wäre ein Spiel gegen den FC Midtjylland fast schon ein kleines Derby. Doch daran, so sagte er am Mittwoch, denke weder er noch seine Mitspieler.
„Die Auslosung können wir nicht beeinflussen, wir fokussieren uns immer auf die nächste Aufgabe. Wir wissen, wie schwierig es auf Schalke sein wird“, sagte Unions Torwart. Und trotz der eher unschönen Erinnerungen freue er sich tatsächlich auf das Wiedersehen mit seinem alten Verein. „Ich bin sehr froh, dass sie wieder in der Bundesliga sind.“