„Disziplin gehört halt nun mal zum Sport“
Felix Magath trug einen taubenblauen Anzug mit Einstecktuch, ein weißes Hemd und ein Lächeln auf dem Gesicht. Oben auf dem Podium blieb er kurz stehen, er blickte in den Rang, dann sagte er laut und vernehmlich: „Guten Tag.“
Nichts überstürzen, sich erst ein Bild machen und sich klar ausdrücken: So ungefähr dürfte sich Felix Magath das auch für seine nun anstehende Aufgabe vorstellen. Am Sonntagabend wurde bekannt, dass er bei Hertha den glücklosen Tayfun Korkut ablöst und bis Saisonende als Trainer des kriselnden Fußball-Bundesligisten aus Berlin einspringt. Am Montagmittag wurde er der Öffentlichkeit vorgestellt, am Dienstag wird er erstmals mit seinem neuen Team auf dem Trainingsplatz stehen – und am Samstag im Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim nach fast zehn Jahren sein Bundesliga-Comeback feiern.
„Ein kleiner Schönheitsfleck“ sei es, dass die Spieler ihn durch die Medien kennengelernt hätten und nicht von Angesicht zu Angesicht, sagt Magath bei seiner Präsentation. Aber für die meisten der Profis dürfte der 68-Jährige kein Unbekannter sein. Egal wo er bisher gearbeitet hat, zumindest sein Image war längst da.
Persönlich kennt ihn von seinen neuen Spielern nur Peter Pekarik, 35, Herthas Routinier und seit bald zehn Jahren im Verein. Als junger Bursche stand der Slowake beim VfL Wolfsburg unter Vertrag, wurde 2009 sogar Deutscher Meister mit und unter Felix Magath. Und wer weiß, sagt Magath nun, vielleicht hätte der eine oder andere seiner Kollegen ja schon Erkundigungen bei Pekarik eingeholt, „wie schön es wird in den nächsten Tagen“.
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Magath weiß natürlich, dass die Erwartungen andere sind. Man müsse ja nicht drumherum reden, sagt er, „ich war immer jemand, der polarisiert hat“. Die einen hätten über ihn gesagt, er sei klasse, die anderen, er sei als Trainer nicht zu gebrauchen. „Ich werde alles daran setzen, dass diejenigen Recht haben, die glauben, dass ich die richtige Wahl bin.“
Gemessen an den Erwartungen, die Magaths überraschende Verpflichtung ausgelöst hat, fällt sein erster Auftritt als Angestellter von Hertha BSC unerwartet positiv aus. Er wirkt souverän und trotzdem leutselig, klar, aber nicht verbissen, von sich überzeugt und doch nicht überheblich. Und, ja, sein Image … Zumindest nach außen kann er damit durchaus selbstironisch umgehen – ohne von seinen Überzeugungen abzuweichen.
„Disziplin gehört halt nun mal zum Sport“, sagt Magath, der von dem 38 Jahre alten Schotten Mark Fotheringham als Co-Trainer unterstützt werden wird. „Ich kann’s doch nicht ändern, ich hab’s doch nicht erfunden.“ Auch wenn es manchmal anders dargestellt wird: Magath triezt seine Spieler nicht, „um mich zu befriedigen“, sondern weil es dem gemeinsamen Erfolg dient. „Ich habe da kein Glücksgefühl.“
Ohne seinen Ruf, ein Disziplinfanatiker zu sein, ein harter Hund, ein Schleifer, wäre Magath jetzt vermutlich trotzdem nicht in Berlin. Fredi Bobic, Herthas Sportgeschäftsführer, hat genau diesen Trainertyp für die taumelnde Mannschaft gesucht, die zuletzt fünf Mal am Stück verloren hat und nun auf einem direkten Abstiegsplatz aufgeschlagen ist. Magaths Vorgänger Korkut war das Team immer mehr entglitten.
Der Neue ist nicht nur wegen seines fortgeschrittenen Alters ein Gegenentwurf zu Korkut, sondern auch durch die Ansichten, die er schon immer vertreten hat. „Ein Fußballtrainer mit viel Erfahrung, eine starke Persönlichkeit, der sich einsetzt für Disziplin, der eine klare, harte Hand hat: Dafür steht Felix Magath“, sagt Bobic. „Es gibt nicht so viele, die den Mut haben, so einen Verein zu übernehmen.“ Mit dem Gedanken, Magath zu verpflichten, habe er sich schon länger beschäftigt, erklärt Herthas Geschäftsführer. Und spätestens seit der Niederlage am Samstag in Mönchengladbach war klar, dass etwas passieren musste, „dass wir noch mal alles auf null stellen müssen“, wie Bobic sagt. „Gemeinsam werden wir diesen Ritt bestreiten.“
Magath empfand den Auftritt der Mannschaft in Gladbach „etwas unkoordiniert“
Magath hat sich den jüngsten Auftritt seiner nun neuen Mannschaft im Fernsehen angeschaut und immerhin festgestellt, „dass sie sich deutlich gewehrt hat“. Aber ohne bei der Benennung der Defizite schon allzu sehr ins Detail zu gehen: „Es wirkte mir doch etwas unkoordiniert.“
Weitere Ferndiagnosen ersparte sich Magath. „Ich muss erst mal mit den Menschen zusammenkommen, ein Gefühl für sie entwickeln“, sagte er. „Ich muss sie sehen, ich muss sie hören, ich muss sie riechen, ich muss sie fühlen.“ Unabhängig davon aber traut er sich die Aufgabe, Hertha in der Liga zu halten, natürlich zu. „Ich habe in der Vergangenheit gezeigt, dass ich in der Lage bin, mich Situationen anzupassen“, sagt er. „Es ist mir in der Bundesliga mit sechs, sieben Mannschaften gelungen. Deshalb sehe ich in dieser Aufgabe etwas, das auf mich zugeschnitten ist.“
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Seit seiner letzten Station in Wolfsburg vor fast zehn Jahren hat Magath noch als Trainer beim FC Fulham und in China gearbeitet. Zuletzt war er als Leiter von Flyeralarm Global Soccer beratend für die Würzburger Kickers und Admira Wacker Mödling tätig. Mit überschaubarem Erfolg. Würzburg stieg aus der Zweiten Liga ab und kämpft inzwischen eine Liga tiefer erneut gegen den Abstieg.
Als Trainer ist Felix Magath die Erfahrung eines Abstiegs zumindest in der Bundesliga erspart geblieben, und natürlich soll das auch bei und mit Hertha so bleiben – entweder in den noch ausstehenden acht regulären Saisonspielen oder eben in der Relegation. Dass ihm das gelingt, davon ist Magath uneingeschränkt überzeugt. „Die, die nicht glauben, dass ich die richtige Wahl bin, müssen dann nicht nur kritisieren, sondern erst mal einen eigenen Vorschlag machen, wer denn jetzt in der deutschen Bundesliga in der Lage sein soll, diese schwierige Aufgabe zu lösen“, sagt er. „Ich bitte gerne um Wortmeldungen.“