Die Rückkehr der Fans beeinflusst auch die Schiedsrichter
Was waren das für rauschende Fußballabende am Freitagabend in Mönchengladbach, am Samstag in Dortmund. Die Bundesliga bebt wieder. Der erste Spieltag vor besetzten Tribünen hat gezeigt, welch eine akustische Wucht die Fans in einem Stadion entwickeln können, das angesichts der aktuellen Corona-Bestimmungen nicht einmal zur Hälfte gefüllt ist.
Nach fast anderthalb Jahren Geisterkulisse in der Bundesliga lohnt sich die Frage, lebt das Spiel wieder von einer ganz anderen emotionalen Dynamik angesichts der Anwesenheit von Zuschauer:innen.
Tatsächlich stehen die Spiele jetzt wieder unter dem Einfluss der Fans: Es lassen sich statistisch Unterschiede zwischen Geisterspielen und solchen mit Fan-Beteiligung in der Bundesliga belegen. In der Saison 2018/19 – die letzte, die komplett vor Fans gespielt wurde – gewann die Heimmannschaft in 45,1 Prozent der Fälle.
Vergangene Saison waren es nur noch 42,2 Prozent Heimsiege. Ohne die eigenen Fans im Rücken geben sich die Gastgeber offensichtlich häufiger mit einem Unentschieden zufrieden. Bei der Anzahl der Auswärtssiege gibt es indes keinen großen Unterschied (31,1 zu 31,4 Prozent).
Der Heimvorteil bleibt also auch bei leeren Rängen bestehen. Das Spielen in einem gewohnten Umfeld auf gewohntem Untergrund der Heim- und die Reisestrapazen der Auswärtsteams sorgen bis in die Kreisligen hinunter für prozentual mehr Heimsiege. Ohne die eigenen Fans fällt er aber deutlich geringer aus.
Freude, dass es verbal nun etwas ruppiger zugehen kann
Doch nicht nur für die Spieler, auch für die Schiedsrichter ist die Rückkehr in den Spielbetrieb, bei dem zunächst je nach Spielort bis zu 25.000 Zuschauer:innen gestattet sind, mit Umstellungen verbunden. „Allein die Geräuschkulisse in halbvollen oder vollen Stadien verändert die Kommunikation auf dem Platz“, sagt Sportpsychologin Theresa Hoffmann, die seit Jahresbeginn als Schiedsrichterreferentin beim Berliner Fußball-Verband (BFV) arbeitet. „Plötzlich hört man nicht mehr alles, was gesagt wird, auch wenn es nur wenige Meter weit weg passiert.“
Viele Akteure werden sich freuen, dass es verbal nun wieder etwas ruppiger zugehen kann, ohne dass die Referees jeden Wortwechsel mitbekommen. In Anbetracht der leeren Stadien und der vielen Außenmikrofone mussten die Spieler, wie beispielsweise Hertha Santiago Ascacibar nach seinem verbalen Ausrutscher gegenüber Nico Schlotterbeck vom 1. FC Union im April im Berliner Derby, nachträgliche Ermittlungen befürchten und hielten sich deshalb wohl zurück.
Für die Akteure, die vor der Pandemie tausende Zuschauer:innen gewöhnt waren, bringt die Anwesenheit der Fans die akustische Anonymität und dem Profifußball somit auch etwas Natürlichkeit zurück.
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Denn ohne Zuschauende ging es weniger emotional zu, dass haben die Sportpsychologen Michael Leitner und Fabio Richlan aus Salzburg im April dieses Jahres in einer Studie belegt, sie hatten Spiele des österreichischen Meister RB Salzburg mit Fans mit Spielen ohne Fans verglichen. Die Zahl der Kommunikation und Streitigkeiten der Spieler gegnerischer Mannschaften und mit dem Schiedsrichter war deutlich höher, betrug vor voller Kulisse im Schnitt 42 Minuten, ohne Zuschauende nur noch 27 Minuten.
Anzahl der Verwarnungen und Platzverweise ging zurück
Allerdings waren die Unparteiischen bei den Geisterspielen viel weniger in solche Situationen involviert. Auch bei Fouls, Gelben Karten und Platzverweisen verzeichneten die Wissenschaftlern einen – wenn auch nur kleinen – Rückgang. Somit werden die Schiedsrichter nun wieder vermehrt auf die Probe gestellt wird, die Bewertung von Spielszenen ungeachtet der äußeren Einflüsse vorzunehmen.
Hängt der ausgeprägtere Heimvorteil bei Spielen mit Fans auch mit einer möglichen Bevorzugung der Heimmannschaften durch die Referees zusammen?
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Theresa Hoffman erklärt: „Es ist möglich, dass Schiedsrichter:innen auch auf höchstem Niveau beeinflusst werden. Das hängt allerdings von viel mehr Faktoren ab als ausschließlich davon, ob das Spiel vor Fans ausgetragen wird oder nicht.“ Die Forschungsergebnisse würden nicht eindeutig nachweisen, dass Entscheidungen eher zugunsten der Gastgeber getroffen werden. Ein Blick auf die Verteilung persönlicher Strafen in der letzten Spielzeit zeigt außerdem, dass die Spiele ohne Fans deutlich fairer geführt wurden.
Die Anzahl der Verwarnungen und Platzverweise ging gegenüber 2018/19 zurück; mit 33 Roten Karten wurden so wenige Spieler des Feldes verwiesen wie seit der Saison 1989/90 nicht mehr. „Fußball lebt von Emotionen, vor allem denen der Zuschauer:innen“, so Hoffmann. Durch risikoreiche Handlungen würden Emotionen bei allen Beteiligten hervorgerufen. „Ohne Zuschauer:innen, die die Atmosphäre mit bedingen, haben die Spieler somit viel weniger Anreize, verwarnungswürdige Handlungen auszuführen.“