Die langen Schatten des Sonnenkönigs: Ludwig XIV. in einer neuen Biografie von Johannes Willms
Ludwig XIV., der französische Sonnenkönig, ist seit über 300 Jahren tot. Was macht ihn für die republikanische Gegenwart so interessant, dass ihm der ihm vergangenen Jahr verstorbene Johannes Willms eine letzte, 500 Seiten starke Biografie, widmete? Für den Historiker und Journalisten ist Ludwig XIV. eine von drei Herrschergestalten, die die Geschichte Frankreichs bis heute beeinflussen. Den beiden anderen, Napoleon Bonaparte und Charles de Gaulle, hat er bereits zwei viel beachtete Biografien gewidmet.
Willms verweist am Ende ausdrücklich auf den gegenwärtigen französischen Präsidenten. Emmanuel Macron. Er verstehe sich darauf, eine prächtige Fassade aufrechtzuerhalten, Gloire und Grandeur, Ruhm und Größe – allen protestierenden Gelbwesten zum Trotz. Donald Trump, 2017 noch US-Präsident, der am französischen Nationalfeiertag an der Seite Macrons die Parade abnahm, war vom französischen Pomp mit rasselnden Ketten, glitzernden Rüstungen und mit buntem Rauch vorbeidonnernden Düsenjägern so beeindruckt, dass er zu Hause quengelte, so etwas wolle er nächstes Jahr auch. Zu teuer wurde ihm beschieden. Ihm fehlte auch die 300-jährige Tradition Frankreichs.
Eventmanager Molière
Vorbild für all das war, daran lässt Johannes Willms keinen Zweifel, Ludwig XIV., der für Frankreich den Absolutismus erfand. Ludwig erkannte, dass seine Macht neben militärischer Stärke und den Ressourcen eines im europäischen Vergleich großen Landes vor allem eines brauchte: die permanente Inszenierung mit ihm als Hauptdarsteller. An seinem Hof versammelte er Künstler, Architekten, Schriftsteller – Molière wurde so etwas wie sein Eventmanager fürs Bühnengeschehen.
Dabei war die Ausgangslage ungünstig, wie Willms detailliert schildert. Ludwig begann seine Karriere als Kind auf dem Thron, hatte es mit bürgerkriegsähnlichen Zuständen und einem renitenten Adel zu tun, der ihm die Macht streitig machte. Ludwig zähmte sie alle. Der Adel fügte sich in die Rolle von Hofschranzen, die mit immer neuen Lustbarkeiten bei Laune gehalten wurden.
Die Bühne für dieses Spektakel waren Schloss und Park von Versailles. Sie verschlang Unsummen, gefeiert wurde dabei nur einer: der Sonnenkönig. Er habe rund 200 Büsten, Bilder und Reliefs gezählt, die Ludwig zeigten, schrieb ein zeitgenössischer Besucher aus England.
Permanente Kriegsführung
Das zweite Standbein war die permanente Kriegsführung. Die mörderische Beschießung von Genua und Brüssel, die mehrmalige Zerstörung Heidelbergs war für die damalige Praxis der Kabinettskriege ungewöhnlich brutal. Das Pochen auf fragwürdigen Besitzrechten, die nur auf Stärke basierten, trug zur Isolierung Frankreichs bei und sollten.
Willms schildert das mit gewohnt umfangreicher Quellenkenntnis, gewürzt mit feiner Ironie – und mit einem Hang zum überbordenden Detail. In der Fülle der Ränke wäre neben dem Personen- auch ein Ortsregister hilfreich gewesen.
Von Ludwig existieren so gut wie keine Selbstzeugnisse. So bleibt Willms vielfach nur die psychologische Deutung. Auf diesem Gebiet ist er jedoch auch hier ein Meister. Dem Menschen, der von sich gesagt haben soll „Der Staat bin ich“ und nie er selbst sein durfte, kommt er fast anrührend über die penibel überlieferte Krankengeschichte nahe.
Am Ende hinterließ der Sonnenkönig das Land fast so ruiniert wie er es übernommen hatte, führte doch zuletzt der Spanische Erbfolgekrieg sein Reich an den Rand des Zusammenbruchs. Selbst wenn es in Schloss Versailles kaum eine Toilette gab, weshalb es drinnen erbärmlich stank, wie schon Zeitgenossen zu berichten wussten, wenn Fenster nicht schlossen und das verwinkelte Ensemble kaum zu beheizen war – da musste der chronisch klamme Bauherr sparen: Die strahlende Fassade war geeignet, die gröbsten Risse zu übertünchen. Weshalb Ludwig XIV. stets Kreditgeber fand und im Bett starb. Erst Ludwig XVI. landete 1793 im Zuge der französischen Revolution auf dem Schafott.