Die beständige Neuanordnung von Körpern
Manchen Stücken, die noch vor Corona entstanden sind, erwachsen neue Bedeutungen durch die Pandemieerfahrung. Das lässt sich auch bei „Monument 0.9: Replay“ von Eszter Salamon im HAU 1 beobachten. Wenn sie einen unstillbaren Hunger nach Berührung konstatiert, scheint das auch eine Reaktion auf die erzwungene Kontaktarmut während der Lockdowns zu sein.
Bei dieser intimen Performance sitzt das Publikum auf der Bühne – die 60 Zuschauer:innen blicken von vier Seiten auf das Bühnengeschehen. Anfangs bilden die fünf nackten Perfomer:innen einen Kreis auf dem Boden. Sie liegen wie hingegossen – die Position erinnert an liegende Akte in der Malerei, doch schnell wird klar, dass es Salamon nicht um Verweise auf die Kunstgeschichte geht.
Lange verharren die Fünf reglos, das Publikum kann sich auf die Betrachtung dieser Körperlandschaft konzentrieren. Minimale Bewegungen sind dann zu sehen, die Performer:innen drehen sich auf den Bauch und schieben sich auf die Knie – alles in extremer Langsamkeit. Das ganze Stück über bewegen sie sich wie in Zeitlupe – diese Entschleunigung führt zu einer Tiefenentspannung beim Publikum.
Bis jede mal auf jeder lag
Eszter Salamon widmet das Stück der Haut als unserem größten Sinnesorgan. Ihr geht es vor allem um das Spüren, das rationale Denken ist ausgeschaltet. Die Tänzer:innen schieben sich unter den Körper der Anderen oder gleiten über den Rücken der Partnerin, legen ihr Gewicht ab – wie junge Tiere, die die Nestwärme brauchen.
Eine gefühlte Ewigkeit setzt sich das so fort, bis jede mal auf jeder lag. Ihre Hände setzen die Performer:innen kaum ein; die Aufgabe scheint zu lauten, möglichst viel Hautkontakt zu suchen.
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„Am Anfang war die Berührung. Du wirst berührt und du berührst“, heißt es in einem Monolog, der vom Band kommt. Salamon spricht mit sanfter Stimme, der Text geht bald in ein Raunen über. Von ozeanischen Gefühlen ist die Rede.
[Noch einmal 22.10., 20 Uhr im HAU1]
Abhandlung über die Lust
„Replay“ ist der Traum von der völligen Verschmelzung. Ein Ritual der Körper, die sich suchen, vereinigen und wieder lösen. Doch oft ist nur ein Gewusel zu sehen. Das permanente Neuanordnen der Körper wirkt eher zufällig und nicht choreografisch gestaltet. Pulsierende Energie ist kaum zu spüren. Und die Polyphonie, die sie mit ihren Stimmen herstellen, klingt reichlich schräg.
Das Stück wird als Entwurf einer neuen „Abhandlung über die Lust“ angekündigt. Doch der Gebrauch der Lüste erschöpft sich darin, die Körper aufeinander zu pressen. Anrührend oder antörnend ist das Stück nicht. Als Zuschauerin hat man den Eindruck, in eine Körpertherapie-Session geraten zu sein.