Claudia Roth verärgert über Darstellung der Documenta-Leitung
Kulturstaatsministerin laudia Roth (Grüne) hat befremdet und sichtlich verärgert auf das Statement von Documenta-Generaldirektorin Sabine Schormann zur Aufarbeitung des Antisemitismus-Skandals reagiert und deren Bereitschaft zu Konsequenzen infrage gestellt. Schormanns Aussagen zu den Abläufen in den vergangenen Monaten seien „so nicht zutreffend“.
Vor allem geht es um das von Roths Behörde schon im Januar vorgeschlagene beratende Expertengremium, „mit folgenden Expertinnen und Experten: Manuela Consonni, Raphael Gross, Edna Harel-Fisher, Meron Mendel“. Der Vorschlag sei von der Documenta nicht weiterverfolgt worden, so die Grünen-Politikerin. Stattdessen hätte die Leitung die „später abgesagte Gesprächsreihe vorbereitet, die weder inhaltlich noch personell dem Vorschlag entsprach“.
Eine lückenlose Aufklärung, wie es zur Aufstellung eines eindeutig antisemitischen Kunstwerks bei der Documenta kommen konnte, stehe weiter aus, teilte ein Sprecher Roths mit, und ebenso, die Konsequenzen aus diesem Skandal zu ziehen.
Es sei „ zunehmend fraglich, ob die Generaldirektorin das leisten kann oder will“. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass auch Roth Schormann nicht mehr für tragbar hält. Bereits mehrfach wurde deren Rücktritt gefordert, unter anderem vom Zentralrat der Juden und von der CDU-Abgeordneten Gitte Connemann.
Schormann verteidigt sich gegen Kritik
In einer am Dienstag auf der Documenta-Webseite veröffentlichten Erklärung hatte Schormann den Vorwurf einer mangelnden Aufarbeitung zurückgewiesen und dabei auf ein fünfköpfiges Beraterteam verwiesen, das im Januar tätig geworden sei, nach ersten Vorwürfen einer Nähe des Kuratorenkollektivs Ruangrupa zur Israel-Boykottbewegung BDS. Dazu zählte auch der Kurator Anselm Franke.
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Auf Tagesspiegel-Nachfrage sagte Franke nun, Schormanns Statement habe den Eindruck erweckt, die Gruppe hätte eine Funktion ausgeübt, die mit der des von Roth vorgeschlagenen Gremiums vergleichbar sei. „Das entspricht jedoch nicht den Tatsachen.“ Ihnen sei weder eine öffentliche Rolle noch Verantwortung bei der Beurteilung künstlerischer Arbeiten angetragen worden. Sie hätten in medialen Fragen beraten und versucht, Brücken zwischen den Akteuren zu bauen. Auch bei der Konzeption der dann abgesagten Gesprächsreihe „We Need to Talk“ seien sie eingebunden gewesen.
Auch der zum Beraterteam gehörende Publizist Ofer Waldman korrigiert Schormann, allerdings nicht so gravierend wie Franke. Auf Facebook schreibt er, er sei – vor der Eröffnung der Weltkunstschau – vornehmlich darum gebeten worden, „den Kontakt zu Vertreter*innen jüdischer Organisationen zu suchen, u.a. auf lokaler Ebene, um sie im Gespräch über die schwerwiegenden Antisemitismusvorwürfe gegen die Documenta15 miteinzubeziehen“.
Waldman schätzt sich glücklich, auf diese Weise in äußerst produktiven Austausch mit der Jüdischen Gemeinde Kassel gekommen zu sein. Er sei aber nicht vorab darüber informiert worden, dass sein Name nun in diesem Zusammenhang an die Öffentlichkeit gerät, „was sicherlich nicht der einzige, verwunderliche Schritt aus dieser Richtung ist“.
Offenbar hatte Schormann das Statement veröffentlicht, ohne mit den dort Genannten Rücksprache zu halten – die aber ihrerseits der Schweigepflicht unterliegen.
Hessens Kunstministerin Angela Dorn will den Aufsichtsrat in die Pflicht nehmen
Auch Hessens Kunstministerin Angela Dorn mahnt eine schnelle Verbesserung bei der Bewältigung der Krise an. Bei einer Aussprache im hessischen Landtag in Wiesbaden sagte sie, sie halte ein Expertengremium für dringend notwendig. Wir brauchen eine Struktur, die uns für die laufende Documenta, aber auch für die Zukunft Empfehlungen geben kann.“
Dorn warb dafür, dass der Aufsichtsrat einen neuen Anlauf für die Veränderung seiner Strukturen nimmt: „Wir sind an einen Punkt gekommen, wo wir gemeinsam einsehen müssen, dass einige Prozesse in der Krisenbewältigung nicht gut laufen.“ An diesem Freitag befasst sich der Aufsichtsrat der Documenta in einer Sondersitzung mit den Vorfällen. (Tsp)