Bücher, die wie Blumen heißen
Zwischen einer Party und dem Absprung in ein unfassbares Abenteuer liegen manchmal nur Sekunden. Quinn schildert dieses Augenblicks-Wunder so: „Ohne nachzudenken, schwang ich mich auf die Fensterbank, sprang von dort hinüber aufs Vordach und kam eine Sekunde später mit einer perfekten Vierpunktlandung zwischen der Blauhaarigen und dem Mann auf dem Pflaster auf, so wie hundertmal vorher im Training bei Parkour geübt.“
Das Erfolgsrezept von Autorin Kerstin Gier funktioniert auch in ihrem Roman „Vergissmeinnicht“: Action, ein wenig Romantik, irre Familienkonstellationen, ein Hauch Esoterik – und schon wird es ein Bestseller. Das Grundgerüst hat sie seit ihrer „Liebe geht durch alle Zeiten“-Trilogie und den drei „Silber“-Büchern beibehalten. Bei Gier weiß man, was man bekommen wird, und ist trotzdem nie enttäuscht. Mehrere ihrer Bücher sind verfilmt worden. Rasant führt sie in ihre Story hinein, spätestens am Ende des ersten Kapitels befindet man sich mit Quinn und Matilda mitten in einem Zustand zwischen Angst und Neugier, dem man nicht mehr entkommen möchte.
Königin aus Kürten
Die Gesetze der bekannten Wirklichkeit sind in den Büchern der Kürtener Fantasy-Königin aufgehoben. Quinn von Arensburg gerät auf der Geburtstagsparty seines besten Freundes Lasse zwischen die Fronten eines Konflikts, der sich in einer anderen Dimension abspielt. Danach verändert sich Quinns Leben schlagartig, nicht nur weil er verletzt im Krankenhaus liegt. Auf einmal sieht er überall Gesichter und das Seepferdchentattoo auf dem Handgelenk einer Freundin beginnt plötzlich zu zucken und zittern. Als dann auch noch Matilda von der seltsamen Nachbarsfamilie ihre Hilfe anbietet, Statuen sprechen können und Quinn mehr über die alternative Wirklichkeit erfährt, ist das Chaos perfekt.
Nicht mehr in London
„Vergissmeinnicht“ sollte man nicht vorschnell mit Giers anderen Fantasy-Erfolgen in einen Topf werfen. Nach Edelsteinen und Farben folgen nun Bücher, die wie Blumen heißen. Ort des Geschehens ist diesmal eine fiktive Stadt in Deutschland, nicht wie zuvor London, und als Erzählerin fungiert nicht mehr ausschließlich eine weibliche Protagonistin. Abwechselnd werden die Kapitel aus Quinns und Matildas Perspektive erzählt, wobei der schon bald wieder genesene Quinn auf der Suche nach des Rätsels Lösung die Nase stets ein wenig vorne hat. Matilda steht ihm tatkräftig zur Seite und versorgt ihn mit Hinweisen aus der Bibel und Klassikern der Fantasy-Literatur.
[Kerstin Gier: Vergissmeinnicht – Was man im Dunkeln nicht sehen kann. Fischer, Frankfurt 2021, 480 S., 20 €. Ab 14 Jahre]
„Vergissmeinnicht“ dringt tiefer als Giers bisherige Bücher in die Sphäre von Mythen und Sagen ein. Das Jenseits spielt eine große Rolle, anscheinend hat Quinns Vater, der schon lange tot ist, mehr Geheimnisse hinterlassen, als der Sohn ahnt. Die übernatürlichen Elemente verknüpft Gier mit einem Kern Wahrheit.
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Vielleicht ist unsere Welt ja doch ein wenig magischer als gedacht. Eine Sicht, die süchtig machen kann. Nachdem ihr letztes Werk „Wolkenschloss“ ein Einzelband war, soll „Vergissmeinnicht“ nicht allein bleiben. Gier hat zwei Fortsetzungen angekündigt, die mit den Untertiteln „Was die Welt zusammenhält“ und „Was niemals verloren geht“ das Abenteuer von Quinn und Matilda fortspinnen sollen.