Boateng bleibt noch ein Jahr bei Hertha BSC

Neben dem Trainingsplatz von Hertha BSC wurde kühles Flaschenbier ausgeschenkt, es gab Bratwürste vom Grill. Aber das kulinarische Gesprächsthema war ein anderes. Alles drehte sich um Döner vom Spieß.

Das lag an dem kleinen Video, das der Berliner Fußball-Bundesligist am Mittwoch wenige Minuten vor dem Trainingsauftakt der Profimannschaft in den sozialen Medien veröffentlicht hatte. Es zeigte Kevin-Prince Boateng in einem Dönerstand bei der Zubereitung des Berliner Nationalgerichts. Mit schön viel Zwiebeln. „Ich habe noch Hunger“, sagte Boateng in die Kamera. Hunger auf Fußball.

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Was Herthas Sportchef Fredi Bobic am Montag schon angedeutet hatte, ist jetzt fix: Der inzwischen 35 Jahre alte Boateng, aufgewachsen im Wedding, im vergangenen Sommer nach Berlin zurückgekehrt, hat seinen auslaufenden Vertrag bei Hertha noch einmal um ein Jahr verlängert. „Ich fühle mich gut, bin hungrig und habe Bock, weiter mit den Jungs zu zocken“, sagte der Mittelfeldspieler.

Bei seiner Rückkehr vor einem Jahr schien es ausgemachte Sache, dass Boateng in seine letzte Saison als Fußballer gehen würde. Die Strapazen von anderthalb Dekaden als Profi hatten ihre Spuren hinterlassen. Boateng brauchte immer mal wieder seine Pausen.

Doch der letzte Akt einer in jeder Hinsicht quälend langen Saison hat bei ihm offensichtlich noch einmal die Lust auf mehr geweckt. Schon nach der Rettung im Relegationsrückspiel gegen den HSV hatte Boateng sein Interesse an einer Verlängerungssaison öffentlich kundgetan: „Ich hab‘ noch Lust. Ich bin gut drauf.“

Der Mentor einer wackligen Mannschaft

In Hamburg erfüllte er genau die Rolle als Anführer und Mentor, die ihm in Herthas wackliger Mannschaft zugedacht war. Boateng spürte die Verantwortung, und er wurde ihr gerecht. Bis zu diesem Abend im Mai war er in insgesamt 39 Pflichtspielen 21 Mal zum Einsatz gekommen. Nie stand er dabei länger als 70 Minuten auf dem Platz. In der vielleicht wichtigsten Begegnung der gesamten Spielzeit aber, als Boateng wie ein zweiter Trainer auf dem Platz das Team anleitete, da wurde er von seinem Assistenten Felix Magath erst in der 90. Minute ausgewechselt.

„Er ist unser Führungsspieler, geht voran und zieht alle mit“, sagt Sportchef Bobic anlässlich der Vertragsverlängerung. „Genau diese Eigenschaften brauchen wir auch in der kommenden Saison.“ Sandro Schwarz, der neue Trainer, war in der Sommerpause eigens nach Berlin gereist, um mit Boateng zu sprechen. Ein solches Gespräch („offen, klar, ehrlich“), so erklärte er, könne man nicht am Telefon führen.

Am Mittwochnachmittag, bei Schwarz‘ erstem Mannschaftstraining in Berlin mit Bier, Bratwurst und rund 300 Fans hinter der Absperrung, war Boateng einer von 28 Spielern auf dem Platz. Die Nationalspieler haben noch Urlaub, ebenso Santiago Ascacibar, der Hertha ohnehin verlassen will. Dongjun Lee und der erkrankte Suat Serdar fehlten. Dafür nahm Kelian Nsona, den Hertha schon im Winter verpflichtet hatte, erstmals am Mannschaftstraining teil; genauso wie Jonjoe Kenny und Filip Uremovic, die beiden bisherigen Neuzugänge dieses Sommers.

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Von den in der vergangenen Saison verliehenen Spielern waren Jordan Torunarigha, Javairo Dilrosun, Dodi Lukebakio, Deyovaisio Zeefuik und Jessic Ngankam zurück, außerdem durften sechs Spieler aus dem eigenen Nachwuchs vorspielen: Mesut Kesik und Derry Scherhant, die vor kurzem ihren ersten Profivertrag unterschrieben haben, Luka Wollschläger, Marten Winkler (alle 19) sowie Lukas Ullrich und Julian Eitschberger (beide 18). Alle sechs sollen bis zum Ende des Trainingslagers in England (12. bis 23. Juli) bei den Profis bleiben.

Im Fokus aber stand am Mittwoch vor allem Kevin-Prince Boateng. Nach dem Ende der Einheit stürzten sich die Zuschauer auf ihn, sie fragten nach gemeinsamen Fotos und Autogrammen. Boateng erfüllte geduldig lächelnd alle Wünsche. Ob er sich auf ein weiteres Jahr als Profi freue, wurde er gefragt. „Sieht man doch“, antwortete Boateng. „Ich bin am Strahlen.“