Bekommt man die „rechtswidrige Werbung“ bei Prime Video weg?: Was Stiftung Warentest Amazon-Kunden jetzt empfiehlt

Serien und Filme zu jeder Uhrzeit schauen, ohne Werbung und für wenig Geld – so sah das Versprechen aus, mit dem Streamingdienste in den 2010er-Jahren um Kundschaft konkurrierten. Inzwischen aber hat sich herausgestellt, dass hinter diesem Versprechen kein tragfähiges Geschäftsmodell steht. Daher wurden die Abo-Preise erhöht und es wird nun auch Werbung gezeigt, so wie man es aus dem Privatfernsehen kennt.

2,99 Euro mehr für die Werbefreiheit bei Prime Video

Allerdings geht der Großkonzern Amazon dabei einen anderen Weg als es die Konkurrenz tut. Während etwa Netflix ein neues, im Vergleich mit den anderen Optionen günstigeres Werbe-Abo anbietet, ändert Amazon einfach die Bedingungen des bestehenden, vormals werbefreien Tarifs. 

Das bedeutet: Wer Prime-Kunde ist und das enthaltene Streaming-Angebot nutzt, bekommt dort nun Werbeunterbrechungen angezeigt. Es sei denn, man zahlt monatlich 2,99 Euro mehr für die „Ad Free“-Option, also 11,98 statt 8,99 Euro. Im Jahresabo kostet Amazon Prime 89,90 Euro pro Jahr, der Monatspreis liegt umgerechnet bei 7,49 Euro – für „Ad Free“ gibt es jedoch keinen Rabatt, die 2,99 Euro werden monatlich abgebucht.

„Wir möchten deutlich weniger Werbung als lineare TV- und andere Streaming-Fernsehanbieter zeigen“, schreibt Amazon auf der Kundenservice-Seite. Dennoch gibt es von Verbraucherschützern Widerstand. 

Klagen gegen Amazon

Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat eine Klage angekündigt, weil Amazon die Änderung ohne explizite Zustimmung der Kundschaft eingeführt habe – das sei eine „versteckte Preiserhöhung“. So argumentieren auch die Juristen der „Stiftung Warentest“. Amazon selbst sagt, man habe sich an geltendes Recht gehalten. 

„Stiftung Warentest“ zeigt, wie man sich wehren kann

Doch was kann man tun, wenn man die Werbung nicht akzeptieren und auch den Aufpreis nicht zahlen will? Eine Kündigung des gesamten Prime-Abos (das ja neben dem Streaming einen schnellen und kostenfreien Versand bietet) ist eine Option. Amazon erstattet in diesem Fall die bis zur Kündigung nicht verbrauchten Abo-Gebühren. 

Unterlassungsaufforderung an Amazon

Oder man ergreift härtere Maßnahmen. Wie „Stiftung Warentest“ erklärt, kann man Amazon auch zur Unterlassung auffordern und dafür einen online veröffentlichten Musterbrief nutzen. 

Allerdings schreiben die Verbraucherschützer selbst, dass Amazon die Forderung erfahrungsgemäß zurückweisen würde. Das heißt: Probieren kann man es ja mal – anschließend bleibt aber nur, rechtliche Schritte einzuleiten.

Wie sinnvoll wäre es, gegen Amazon zu klagen? Der Vorgang ist mit Aufwand und Kosten verbunden. 

  • Eine Klage vor dem zuständigen Amtsgericht darf erst nach einer Aufforderung an Amazon – zum Beispiel mit dem Musterbrief – erfolgen. 
  • Man braucht zwar nicht zwingend einen Anwalt, muss aber üblicherweise einen Vorschuss auf die Gerichtskosten zahlen (unter Umständen besteht Anspruch auf Prozesskostenhilfe). 
  • Außerdem sind viele Gerichte überlastet, sodass es häufig sehr lange dauert, bis es zu einer Verhandlung und zu einem Urteil kommt.

Womöglich ist es also sinnvoller, auf die angekündigte Klage der Verbraucherzentrale Bundesverband zu warten. Außerdem plant die Verbraucherzentrale Sachsen laut „Stiftung Warentest“ eine Verbands­klage. Damit könnten Amazon-Prime-Kunden ihre Rechte „in einigen Wochen mit wenigen Klicks“ beim Bundes­justiz­amt anmelden, was deutlich einfacher ist, als selbst aktiv zu werden. Allerdings kann es Jahre bis zu einem rechtskräftigen Urteil dauern.

Hintergrund: Die Zeiten des billigen Streamings sind vorbei

Die Preiserhöhungen und Werbeeinblendungen zeigen, dass in der Streaming-Branche ein neues Ziel gilt. Es geht für die Unternehmen nun darum, schwarze Zahlen zu schreiben. Das Abo-Wachstum hingegen ist nicht mehr das alleinige Erfolgskriterium, so wie es in den 2010er Jahren der Fall war, als fehlende Profite in der Erwartung eines beständigen, großen Nutzerwachstums in Kauf genommen wurden. 

Heute versuchen alle Streaming-Dienste, mehr Geld in die Kassen zu bekommen. Amazon selbst begründet die Einführung von Werbung damit, dass es damit möglich sei, „weiterhin in attraktive Inhalte zu investieren und diese Investitionen über einen langen Zeitraum weiter zu steigern.“

Das ist ein neuer Tonfall im Hause Amazon. Zumindest bisher hat der Konzern – im Unterschied etwa zu Netflix – ein anderes Geschäftsmodell betrieben. Der Streamingdienst war nur eine Art Werbemaßnahme für den Paketversand, das Kalkül lautete: Wer bei Prime Video eine Serie streamt, bestellt auch Waren. Dafür wurde hingenommen, dass der Dienst rote Zahlen schreibt. Nun aber will man offensichtlich direkt mit Prime Video mehr Geld verdienen. (mit AFP)