Albaniens Weltschriftsteller: Ismail Kadare, bedeutendster Chronist seines Landes, ist gestorben

Der französisch-albanische Schriftsteller Ismail Kadare ist tot. Er starb im Alter von 88 Jahren in einem Krankenhaus in Tirana, wie sein französischer Verlag bestätigte. Er galt als einer der prominentesten zeitgenössischen Autoren albanischer Sprache, wurde in mehr als 45 Sprachen übersetzt und wurde viele Jahre immer wieder als Kandidat für den Literaturnobelpreis gehandelt. 

Kadare hat über 50 Werke veröffentlicht, die in über 30 Sprachen übersetzt wurden. In Deutschland wurde der kleine, bescheiden und grazil wirkende Schriftsteller unter anderem durch seine Bücher „Die Festung“, „November einer Hauptstadt“ und „Der Sandkasten“ bekannt.

2015 wurden unter dem Titel „Die Schleierkarawane“ drei neue Erzählungen von ihm auf Deutsch aufgelegt. 2017 erschien hier sein Roman „Die Dämmerung der Steppengötter“ über das Moskau der Nach-Stalin-Zeit.

Seine Romane handeln von den Mythen, der Identität und der Geschichte eines Landes und eines Volkes, zu dessen Chronist er sich erkoren hatte. In seinen Veröffentlichungen warnt er vor Fremdherrschaft und beschreibt die Gefahren vor einem auf Selbsterhalt ausgelegten „Überstaat“. Sein zentrales Thema: das Leben unter einer Diktatur. Über die Jahre hinweg hat ihm dieser Fokus immer wieder Publikationsverbote eingebracht.

Im Kreuzfeuer der Kritik

Kadare wurde in der Nacht zum 28. Januar 1936 im südalbanischen Gjirokastra geboren; über den exakten Geburtstag (27. oder 28.?) sind die Biografien sich uneins. Er studierte in Tirana, dann am Moskauer Gorki-Institut. Seinen Durchbruch schaffte er 1964 mit dem Roman „Der General der toten Armee“, der in Frankreich mit Marcello Mastroianni und Michel Piccoli verfilmt wurde.

Kadares politische Rolle in Albanien war nicht immer unumstritten. Im Kreuzfeuer der Kritik stand seine Unterstützung des kommunistischen Systems unter dem Diktator Enver Hodscha, der von 1944 bis 1985 die Sozialistische Volksrepublik Albanien regierte.

Dass er 1990 nach Frankreich floh, als das Regime des Hodscha-Nachfolgers Ramiz Alija Reisefreiheit und Demokratisierung versprach, erschien vielen als unlogisch. Er lebte dann in Paris und der albanischen Hauptstadt Tirana. Anfragen, ob er als Präsident seines Heimatlandes kandidieren wolle, hat er zeitlebens abschlägig beschieden. (dpa/Tsp)