Ralf König wird 65 und zieht Zwischenbilanz: „Altwerden ist ‘ne echte Herausforderung“

Ralf König hat in den vergangenen 45 Jahren viele ernsthafte Themen in unterhaltsamen Geschichten verarbeitet: von den verheerenden Folgen der Aids-Epidemie für die schwule Community über religiöse Bigotterie und Lustfeindlichkeit bis hin zur menschlichen Evolution und der Corona-Krise. In jüngster Zeit ist allerdings ein anderes Thema für Deutschlands wohl erfolgreichsten Comiczeichner zunehmend zur „echten Herausforderung“ geworden, wie er sagt: das Altern.

Darüber spricht der in Köln lebende Autor zahlreicher Bestseller in seinem neuen Buch „Pflaumensturz und Sahneschnitten“, das jetzt aus Anlass eines besonderen Datums vom Berliner Egmont-Verlag veröffentlicht wurde: Ralf König wird an diesem Freitag 65 Jahre alt.

So ganz wahrhaben mag der Zeichner das symbolträchtige Jubiläum aber noch nicht, wie er im Interview mit dem Journalisten Alex Jakubowski gesteht, welches knapp die Hälfte des großformatigen Bandes ausmacht. Die andere Hälfte sind Comics, Fotos, Skizzen und andere Fundstücke aus Königs Leben, von denen die meisten jetzt zum ersten Mal überhaupt in Buchform veröffentlicht werden.

Ralf König (links) und Alex Jakubowski haben Ende Juni beim Comicfestival München einen ersten Einblick in ihr gemeinsames Buch gegeben.

© Lars von Törne

Seit einigen Jahren beschäftigt das Thema zunehmend auch seine beiden Langzeit-Hauptfiguren, das knollennasige Männer-Paar Konrad und Paul. Klavierlehrer und introvertierter Geistesmensch der eine, testosterongetrieben und auch im fortgeschrittenen Alter noch sexuell abenteuerlustig der andere. Die sind mit ihrem Schöpfer gealtert und eine Art Spiegelbild seines eigenen Lebens, wie er sagt.

Autobiografisches und Fiktives gehen bei König ineinander über, auch in diesem Bild aus „Pflaumensturz und Sahneschnitten“.

© Egmont Comic Collection/Ralf König

Zum Beispiel, diese Erkenntnis, die kürzlich auch König selbst überrascht hat: „Ich war als Kind mal heterosexuell und katholisch.“ Das war zumindest einer seiner Gedanken, als er vor einiger Zeit zusammen mit seiner Schwester die Wohnung der Eltern ausräumte, die mit Mitte 90 in ein Seniorenheim gezogen waren.

Aufgewachsen ist König in einem katholischen Dorf in Ostwestfalen. Schon als Kind zeichnete er in den 1970er Jahren fleißig Comics, oft mit sexuellen Themen, wofür unter anderem der Underground-Klassiker „Fritz the Cat“ von Robert Crumb und die Porno-Sammlung im Nachtschrank seines Vaters als Inspiration dienten.

Eine Szene aus der Kurzgeschichte „Gran Paranoia“, einem der von mehreren Comics, die in „Pflaumensturz und Sahneschnitten“ erstmals in Buchform veröffentlicht werden.

© Egmont Comic Collection/Ralf König

Im kurzweiligen Plauderton geht es in „Pflaumensturz und Sahneschnitten“ durch Königs Biografie, von der Tischlerlehre über das Kunststudium (das er Joseph Beuys zu verdanken hatte) bis zum Durchbruch im Jahr 1987 mit drei kurz nacheinander veröffentlichten Büchern: „Kondom des Grauens“, „Der bewegte Mann“ und „Lysistrata“.

Die waren auch als Verfilmungen erfolgreich – wenngleich König diese mit guten Gründen für misslungen hält und filmische Adaptionen seiner Werke für ihn generell immer „ein großer Ärger“ waren.

Parallelwelten: In „Pflaumensturz und Sahneschnitten“ thematisiert Ralf König auch den Generationswechsel in der queeren Szene, unter anderem mit diesem Bild.

© Egmont Comic Collection/Ralf König

Selbstkritisch schaut König auf die zunehmende Ausdifferenzierung der queeren Szene in den vergangenen Jahren. „In der schwulen Community fühle ich mich zu Hause und bin damit vertraut“, sagt König. Aber von Themen wie Genderfluidität und nicht-binärer Geschlechtsidentität habe er „keine Ahnung“.

Es falle ihm schwer, sich da einzufühlen. Daher habe er in seinem 2024 erschienenen Buch „Harter Psücharter“ den Weg gewählt, seine Figur Konrad „als alten weißen Sack genau die dummen Fragen stellen zu lassen, die ich selbst zum Teil auch habe.“

Derzeit arbeitet der Zeichner, dessen Strich über die Jahre immer feiner und akzentuierter geworden ist, mal wieder an einem klassischen Stoff, der Umsetzung der Nibelungen-Sage. Die komme allerdings bislang nicht so richtig in Fahrt – auch wegen des strengen inneren Kritikers.

Zudem deprimiere und verstöre ihn die aktuelle Weltlage gerade sehr. Aber dagegen helfe ihm wiederum das Zeichnen: „Mit dem Stift in der Hand bin ich Herr auf dem Blatt Papier“, sagt Ralf König. „Die Nasen tun und sagen, was ich will, das ist ein wichtiges Ventil für mich in dieser überreizten Zeit.“