„2400 Beweise für Verfassungsfeindlichkeit“: Das Zentrum für politische Schönheit kämpft weiter für ein AfD-Verbotsverfahren
Über den Pariser Platz am Brandenburger Tor schallen Sirenengeheul, Einmarschmusik und der „Abschiebesong“ der Brandenburger AfD-Jugend. Auch Gaulands berüchtigter Satz vom „Vogelschiss“ ertönt, gefolgt von Hitlers Ruf „Sieg Heil!“. Es ist ein dezibelstarkes Crescendo des Grauens, das da aus den Lautsprechern eines umgerüsteten Gefangenentransporters wummert.
„Adenauer SRP +“ hat die Gruppe Zentrum für politische Schönheit (ZPS) dieses Busgefährt getauft, das jetzt unter der Quadriga parkt und mittels Projektoren, LED-Screens und Boxen ein multimediales Bombardement entfesselt – vor allem aus verfassungsfeindlichen Einlassungen von mehr oder weniger prominentem AfD-Personal. Erklärtermaßen im Dienst der Demokratie.
„Wir sind mindestens bis zur Bundestagswahl unterwegs mit diesem Fahrzeug“, sagt ZPS-Mitglied Arne (der aus nachvollziehbaren Gründen auf Nachnamensnennung verzichtet). Arne stellt sich vor als „Travel Agent“ der frisch ins Leben gerufen „Adenauer Reisen“ und erklärt, die Hauptmission des gleichnamigen Mobils sei es ausdrücklich nicht, „die AfD zu ärgern“. Vielmehr wolle das ZPS jene Abgeordneten der demokratischen Parteien erreichen, die sich noch gegen ein Verbotsverfahren der AfD aussprechen – weil sie entweder glaubten, die Partei sei inhaltlich zu bekämpfen, oder es würden nicht genügend Beweise vorliegen. „Wir liefern über 2400 Beweise für die Verfassungsfeindlichkeit der AfD frei Haus“, so der Aktionskünstler. „Niemand wird hier mehr wegschauen können.“
Mahnende Worte von Konrad Adenauer
An Bord hat der Bus unter anderem eine Installation aus Aktenschränken, Original-Unterlagen des Verfassungsschutzes (auf welche Weise auch immer die dem ZPS zugänglich gemacht wurden), oder eine Alice-Weidel-Puppe, die per KI-Stimme knallrechte Originalzitate der Elon-Musk-Freundin ausspuckt. Alles Teil der angesprochenen Beweise, die das ZPS seit gut einem Jahr auch auf der Webseite „afd-verbot.de“ sammelt und dokumentiert. Arne erinnert an einen Satz von Parteichef Tino Chrupalla: „Auch das Grundgesetz ist nicht in Stein gemeißelt“, geäußert in einem Brief an Mitglieder des AfD-Kreisverbands Görlitz.
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Apropos Grundgesetz: Anlässlich der 75-Jahr-Feier der deutschen Verfassung hat die Konrad-Adenauer-Stiftung ihren Namenspatron (ebenfalls mit KI-Stimme) in einem Video auftreten lassen, das als Soundbite auch auf dem Pariser Platz zu hören ist. Adenauer sagt darin: „Wir alle sind dafür verantwortlich, die Werte des Grundgesetzes, unsere Demokratie, die Freiheit, die Menschenwürde und den Rechtsstaat zu bewahren und dafür einzutreten.“ Das verweist schon darauf, weshalb das ZPS sein Gefährt „Adenauer SRP+“ getauft hat. Und was dabei mitschwingt, ist auch eine Mahnung an die Christdemokraten, sich kein Beispiel an den Kollegen in Österreich zu nehmen und zu Steigbügelhaltern des Faschismus zu werden. Keine Frage: diese Aktion des ZPS kommt zur rechten Zeit.
Geplant sind „verpflichtende Beratungsgespräche“
Vor allem aber kommt es auf das „SRP“ an. Dahinter verbirgt sich die „Sozialistische Reichspartei“, eine nationalsozialistische Organisation in der frühen Bundesrepublik, die 1952 vom Verfassungsgericht verboten wurde – eben unter einer CDU-Adenauer-Regierung. ZPS-Vordenker Philipp Ruch führt das in seinem Buch „Es ist 5 vor 1933“ aus, als Vorbild für ein mögliches AfD-Verbot. Einen erklärten Verbündeten unter den Politikern hat das ZPS dafür zumindest gewonnen, den Berliner SPD-Abgeordneten Orkan Özdemir nämlich. Der spricht aus dem Bus heraus und beklagt unter anderem die „unfassbare Mutlosigkeit“ jener demokratischen Entscheider, die den Weg des Verbotsverfahrens scheuten, während die AfD erfolgreich „die Normalisierung des Rechtsextremismus“ betreibe.
Mit anderen Abgeordneten will das ZPS „verpflichtende Beratungsgespräche“ ansetzen. Soll heißen: „Wir kommunizieren über die Presse und per Einladung, dass wir an Tag Y beispielsweise bei Friedrich Merz aufschlagen, um ihm die Beweise zu überreichen. Dann kann er noch einmal darüber nachdenken, ob er einem AfD-Verbotsverfahren doch zustimmen sollte“, führt Arne aus. Und nicht nur bei Scholz, Merz & Co soll der „Adenauer SRP+“ Station machen. Auch die AfD sei ja per Bus unterwegs, so der Travel Agent. Deren Abgeordneter Stefan Brandner zum Beispiel reise auf einer „Infomobiltour“ von Marktplatz zu Marktplatz: „Wie er es wohl finden wird, wenn wir ihn dabei mit dem ‚Adenauer SRP+‘ begleiten?“. Davor steht noch ein Abstecher zum AfD-Parteitag in Riesa an.
Auch in Grünheide, wo AfD-Fan Elon Musk seine Tesla-Fabrik betreibt, gibt es in den Augen des ZPS dringenden Aufklärungsbedarf. „Und so wie es aussieht, werden wir wohl auch mit Mark Zuckerberg sprechen müssen“, stellt Arne in Aussicht. Die Absicht der Aktion bringt er so auf den Punkt: „Wir provozieren, damit Themen maximale Sichtbarkeit bekommen. Und das werden wir in den kommenden Wochen forcieren“.