Jahresrückblick mit Klaus Stuttmann: „Ich will Trump so monströs zeigen, wie ich ihn empfinde“
Zwei Drittel der Deutschen begrüßen Umfragen zufolge das Ende der Ampelkoalition. Klaus Stuttmann hingegen bedauert das Aus des Dreierbündnisses aus SPD, Grünen und FDP, wie der langjährige Tagesspiegel-Karikaturist im Gespräch erklärt.
„Die Ampel hätte durchaus etwas auf die Beine stellen können, wenn die FDP sich nicht immer dagegengestellt hätte“, sagt der 75-Jährige. Dazu kommt bei ihm ein praktischer handwerklicher Grund: „Als Karikaturist hatte man sich langsam an das Personal gewöhnt, was in diesem Fall nicht immer einfach war.“
Stuttmann ist einer der profiliertesten deutschen Karikaturisten. Er ist mit zahlreichen Branchenpreisen ausgezeichnet worden, in diesem Jahr kam der Ludwig-Emil-Grimm-Preis hinzu, verbunden mit einer Ausstellung seiner Werke in Hanau.
Gerade ist von ihm im Schaltzeit-Verlag sein jüngstes Buch erschienen. Wie jedes Jahr ein Rückblick auf die vergangenen zwölf Monate in Form hunderter pointierter Zeichnungen, die neben dem Tagesspiegel auch in mehreren anderen Tageszeitungen und bei „Spiegel Online“ erschienen sind.
„Schnauze voll!“ (228 S., 25 €) lautet der Titel in diesem Jahr, dazu sieht man ein Bild der drei Figuren, die die soeben zerbrochene Koalition maßgeblich geführt haben: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP). Letzterem ist der Buchtitel als Zitat in den Mund gelegt – und während Lindner das sagt, sägt er an einem Ast, auf dem das ungleiche Trio sitzt, während die anderen beiden ihn verärgert Gesichtern anstarren.
Die Baerbock habe ich nie gern gezeichnet.
Klaus Stuttmann, Karikaturist
„Vor allem Habeck und Lindner waren anfangs nicht leicht zu zeichnen“, erklärt Stuttmann, der seine Arbeiten seit vielen Jahren auf einem digitalen Zeichen-Tablet ausführt. „Im Laufe der Zeit haben sie dann ihr eigenes Leben als Figuren entwickelt“.
Wenn er sich neue Figuren erschließt, arbeitet der Zeichner nach und nach bestimmte visuelle Kennzeichen heraus, die das reale Vorbild sofort erkennbar machen, aber zugleich auch etwas losgelöst von ihm sind. Bei Habeck ist dies eine sich nach oben verjüngende Schädelform, dazu eine Gruppe markanter Falten und ein pfefferfarbener Dreitagebart, die das Gesicht prägen.
Bei Lindner sind es die goldenen Haare auf dem Kopf und im Gesicht sowie die strahlend blauen Augen, die ihn trotz einer knabenhaften Anmutung immer etwas verschlagen aussehen lassen. Die passende Anmutung für Olaf Scholz, den Stuttmann mit leicht zerbeult wirkendem Knautschgesicht und immer etwas verkniffenem Blick in schrägen Augenhöhlen zeichnet, habe sich im Vergleich zu diesen beiden zeichnerisch hingegen eher leicht finden lassen.
Dass diese Figuren jetzt – je nachdem, wie die Neuwahlen am 23. Februar ausgehen – schon nach drei Jahren von der Regierungsbühne zurücktreten, ist für Stuttmann auch wegen des mit diesen Figuren verbundenen zeichnerischen Findungsprozesses „schon etwas schade“, wie er sagt.
Wenngleich er zumindest in handwerklicher Hinsicht schon auf Scholz‘ möglichen Nachfolger als Bundeskanzler eingestellt ist, der bei ihm durch einen prägnanten Bürstenhaarschnitt und etwas wahnhaften Gesichtsausdruck gekennzeichnet ist: „Den Merz zeichne ich ja beinahe schon so lange wie die Merkel.“
Die Ex-Kanzlerin hat er im Laufe seiner mehr als-jährigen Laufbahn mehr als 800 Mal gezeichnet. Der Abschied von ihr fiel ihr damals nicht nur aus zeichnerischer Sicht schwer, sondern auch, weil der politisch linksstehende Stuttmann die persönliche Art der Christdemokratin durchaus schätzte.
Wer wird ihm jetzt angesichts des vorzeitigen Endes der Legislaturperiode in karikaturistischer Hinsicht eher weniger fehlen? „Die Baerbock habe ich nie gern gezeichnet“, sagt Stuttmann und lacht. „Die hat immer so einen komischen Gesichtsausdruck.“ Das „merkwürdig gequälte Lächeln“ der Bundesaußenministerin wollte ihm oft einfach nicht so richtig gelingen – auch wenn ihre schwarzen Haare und betonten Augenbrauen Kontur in ihr Gesicht brächten und daher eigentlich vorteilhaft fürs Zeichnen sein.
Es wird immer unangenehmer, die Dinge werden immer schlimmer.
Klaus Stuttmann
Blättert man durch seinen Jahresrückblick, fällt auf, dass auch einige andere Politikerinnen und Politiker und andere wichtige Akteure bei ihm etwas unzugänglich maskenhaftes haben, von AfD-Funktionären wie Björn Höcke und Alice Weidel bis hin zu Elon Musk. „Der Musk hat eben einfach ein glattes Gesicht und wirkt beinahe jungenhaft“, sagt Stuttmann.
Bei Höcke und Co. mag die zeichnerische Anmutung neben deren glatter Erscheinung in der Öffentlichkeit zudem noch einen anderen Grund haben, sagt der Zeichner: „Die mag ich nicht zeichnen, das ist mir irgendwie immer unangenehm.“ Vielleicht beschäftige er sich daher auch weniger damit, deren Gesichter mit zusätzlichem Aufwand lebendiger wirken zu lassen.
Eine zentrale Figur der Weltpolitik, die auch im aktuellen Jahresrückblick einige Auftritte hat, hat Klaus Stuttmann zeichnerisch in jüngster Zeit nochmal etwas überarbeitet, wie man beim Vergleich neuerer und älterer Karikaturen sieht: Donald Trump.
Den hatte der Karikaturist während seiner ersten Amtszeit als US-Präsident mit einem Entenschnabel im Disney-Stil ausgestattet. „Das sollte das Tolpatschige, Schwatzhafte ausdrücken, das er ja auch verkörpert hat.“
Seit der Rückkehr Trumps auf die Weltbühne, die mit vielen aggressiven Ankündigungen des künftigen US-Präsidenten verbunden ist, hat Stuttmann seine Darstellung nochmal überarbeitet. „Erst habe ich erst überlegt, ob ich den Entenschnabel überhaupt beibehalten soll, weil er damit ja etwas harmlos aussieht.“
Aber dann habe er sich für den Schnabel entschieden und ein zusätzliches Detail ergänzt: „Jetzt hat er mehr Zähne.“ Die geben der Figur eine raubtierhafte Erscheinung. „Ich will ihn so monströs zeigen, wie ich ihn empfinde“, sagt Stuttmann.
Hatte er, der tägliche Chronist von Krisen, Kriegen und Koalitionsgefechten, eigentlich im vergangenen Jahr gelegentlich auch mal die „Schnauze voll“? So würde er es zwar für sich nicht ausdrücken, sagt Stuttmann. „Aber es wird immer unangenehmer, die Dinge werden immer schlimmer.“ Im Grund sei er, der Humorist, eigentlich ein Pessimist und sehe die Dinge düster, angesichts der Weltlage im vergangenen Jahr nochmal mehr als zuvor.
Bei der persönlichen Verarbeitung dessen, was er in den Nachrichten sehe, helfe ihm das Zeichnen sehr. „Mit Galgenhumor versuche ich, da noch etwas Witz reinzubringen.“ Auch wenn die Zeiten hart sind, soll sein Publikum doch trotzdem auch seinen Spaß haben. Dazu wolle er beitragen. Denn: „Man muss ja weiterleben.“