„In seiner Existenz als lebendige Kultursparte bedroht“: Comicförderung auf der Kippe

Die staatliche Förderung von Comicprojekten in Deutschland ist relativ neu, der finanzielle Umfang im Vergleich zu anderen Kunstformen wie Literatur, Theater oder Bildende Kunst bislang eher gering. Umso größer ist jetzt angesichts der aktuellen Sparpolitik im Bund und bei den Ländern die Angst in der Comicszene, den in den vergangenen rund zehn Jahren erreichten Status wieder zu verlieren.

„Das Medium Comic ist durch die geplanten Einschnitte in der Kulturförderung in seiner Existenz als eine lebendige Kultursparte direkt bedroht“, heißt es in einem offenen Brief an die Mitglieder des Bundestags und die Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne), der Anfang November von einer Gruppe namhafter deutschen Zeichnerinnen und Zeichner sowie der 2022 gegründeten Comicgewerkschaft veröffentlicht wurde.

Vor dem Hintergrund dieser gewachsenen Bedeutungdes Comics in Deutschland fordert die Petition nun nicht nur die Rücknahme der Kürzungen, sondern mehr Geld und Aufmerksamkeit für die Kunstform: Zusätzliche Förderprogramme, die Verankerung von Comics im Schulunterricht, die finanzielle Sicherung von Festivals und anderen Szene-Institutionen sowie eine bessere finanzielle Situation von Künstlerinnen und Künstlern.

Eine der Initiatorinnen der Petition ist die Zeichnerin Barbara Yelin, die im Sommer mit einem Max-und-Moritz-Preis für ihr Werk ausgezeichnet wurde.

© Erich Malter / CSE

Aus den Reihen der mit dem offenen Brief angesprochenen Bundestagsabgeordneten gibt es durchaus zustimmende Reaktionen, wenngleich der Appell durch das Aus der Ampel-Koalition unerwartet in ein politisches Vakuum hineingeraten ist: Wenige Tage nach der Veröffentlichung des offenen Briefs gaben die Noch-Regierungsparteien den Bruch ihres bisherigen Bündnisses bekannt.

Daher ist seitens einiger Kulturpolitiker zu hören, dass man zwar Verständnis für die Förderungen aus der Comicszene habe. Aber der Koalitionsvertrag, in dem auch der Comic eine Rolle spielte, sei ja nun Makulatur. Und wer künftig die bundesdeutsche Kulturpolitik bestimmt, werde sich erst nach der Bundestagswahl am 23. Februar zeigen.

Mit diesem Bild illustriert die Comicgewerkschaft die Folgen der Sparpolitik.

© Comicgewerkschaft

Ungeachtet dessen schließen sich einige Politikerinnen und Politiker dem Appell an und wollen dessen Forderungen auch in der kommenden Legislaturperiode unterstützen – wenn sie denn erneut in den Bundestag gewählt werden sollten.

Die Forderungen der Petition sind berechtigt und reflektieren die Herausforderungen, vor denen die Comicszene in Deutschland steht.

SPD-Kulturpolitiker Helge Lindh

„Die Forderungen nach einer stärkeren Unterstützung der Comicszene halte ich für ein wichtiges Anliegen, da sie sowohl die Anerkennung dieser Kunstform als auch die Förderung der Kreativwirtschaft voranbringen würden“, erklärt zum Beispiel der kulturpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Helge Lindh.

„Besonders in Deutschland, wo die Comicszene oft im Schatten anderer Kunstformen steht, müssen wir aktiv werden, um ihr eine stärkere Plattform zu bieten“, sagt Lindh. Vor diesem Hintergrund habe die SPD-Bundestagsfraktion sich bemüht, die Kürzungen im Bereich der Bundeskulturfonds wieder zurückzunehmen. „Umso mehr bedauere ich den Bruch der Koalition durch die FDP, da wir hier bereits auf einem guten Weg waren.“

Helge Lindh ist der kulturpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag

© Fionn Grosse

Lindh verspricht, sich auch künftig dafür einzusetzen, den Comic in Deutschland stärker zu fördern. So wolle er sich in der kommenden Wahlperiode für ein Programm zur Förderung von kleinen und mittleren Verlagen einsetzen, um ein breites Themenspektrum und vielfältige Verlagsprogramme zu gewährleisten. „Damit soll die Verlagslandschaft in Deutschland divers bleiben und Comics als wichtiger Bestandteil eingeschlossen werden.“

„Die Forderungen der Petition sind berechtigt und reflektieren die Herausforderungen, vor denen die Comicszene in Deutschland steht“, erklärt er. „Von der finanziellen Unterstützung bis zur schulischen Einbindung – all diese Punkte sind notwendig, um das Medium langfristig zu stärken.“

Comics leisten nach Einschätzung des SPD-Kulturpolitikers „einen wertvollen Beitrag zur kulturellen Vielfalt und haben ein großes Potenzial, gesellschaftlich relevante Themen zugänglich und kreativ zu vermitteln.“ Die Forderung nach sozialer Absicherung für Künstlerinnen und Künstler sowie gezielten Förderprogrammen spiegele zudem den allgemeinen Bedarf an einer gerechteren Förderung der freien Kulturszene wider.

Ich kann den Aufruhr der Comicszene absolut verstehen.

FDP-Kulturpolitkerin Anikó Glogowski-Merten 

Die FDP-Kulturpolitikerin Anikó Glogowski-Merten will sich ebenfalls in der nächsten Legislaturperiode für eine stärkere Förderung der deutschen Comic-Kultur einsetzen. „Als Kulturpolitikerin, die selbst auch Kunstwissenschaftlerin ist, kann ich den Aufruhr der Comicszene absolut verstehen“, erklärt sie.

Anikó Glogowski-Merten ist die kulturpolitische Sprecherin der FPD-Fraktion.

© Promo

„Ich habe aktiv mitverfolgt, wie viel Wertschätzung Comics in den letzten Jahren erfahren haben und dass auch die Veröffentlichungen eklatant gestiegen sind“, teilt die Politikerin mit. Sie habe sich daher zusammen mit anderen FDP-Abgeordneten schon länger „für Comics als eine lebendige Kultursparte eingesetzt.“

Ihre Kritik richtet sich vor allem gegen Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Deren Kulturpolitik „wirkte bereits vor dem Koalitionsbruch zunehmend unberechenbar, was in der Kulturbranche für erhebliche Planungsunsicherheit sorgte.“ Die Entscheidung, die Mittel für die Bundeskulturfonds nach einem starken Anstieg im Jahr 2024 nun wieder zu halbieren, stelle Kulturschaffende vor große Herausforderungen.

„Dieses unstete Vorgehen von Claudia Roth hat bei vielen Kulturschaffenden Hoffnungen geweckt, die nun nicht mehr zu erfüllen sind“, bilanziert Glogowski-Merten. Daher sei die Petition aus den Reihen der Comicbranche „absolut richtig“. Die FDP-Politikerin kündigt an, sich auch im nächsten Bundestag „weiterhin intensiv dafür einzusetzen, dass die Belange der Kulturschaffenden im parlamentarischen Prozess Gehör finden.“