Wo sind die DDR-Millionen? : Währungsunion, mal anders
Dieser Wendezeit-Film – Halberstadt im Sommer 1990 – ist als Komödie angekündigt. Der Titel spielt auf den Kurs an, zu dem DDR-Bürger in eben jenem Sommer ihre Guthaben über 4000 Mark umtauschen konnten. Aber ein Spaß wie „Good Bye, Lenin!“ oder „Sonnenallee“ ist es nicht unbedingt. Mag sein, man muss nicht einmal richtig lachen. Vielleicht ist „Zwei zu Eins“ am Ende nicht gelungen, aber das auf durchaus sehenswerte Weise.
Nennen wir es eine aktionsreiche Wendezeit-Meditation, ja mehr noch: Regisseurin Natja Brunckhorst, selbst ohne DDR-Hintergrund, denkt in ihrem zweiten Kinofilm auf erstaunliche Weise über das Thema nach, das die anfänglichen Bürgerbewegungen noch tief in der DDR beschäftigte: Und was machen wir später mit dem Volkseigentum?
Um Himmels willen, mögen viele jetzt sagen, wer will denn so etwas wissen?
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
Wenn sich jedoch die zuletzt oscar-nominierte Sandra Hüller, Ronald Zehrfeld und Max Riemelt derart heftig für diese Frage interessieren, dass sie die Hauptrollen in „Zwei zu Eins“ übernommen haben, muss hier etwas zu entdecken sein. Allein, wie sie dasitzen, die früheren Kollegen, stumm nebeneinander auf dem Arbeitsamt, jeder den Blick nach innen gerichtet. Dann beginnt es in Marens alias Sandra Hüllers Gesicht leise zu wetterleuchten, und sie flüstert einer Bis-gestern-Kollegin zu: „Das hätt’ ich auch nicht gedacht, dass uns einmal die Arbeit ausgeht.“
Beleidigung, Resignation, Widerständigkeit
In diesem unnachahmlichen Hüller-Ton schwingen zugleich Beleidigung, Resignation und Widerständigkeit mit. Unvergessen: ihre ostdeutsche Marion in Thomas Stubers großartigem Supermarkt-Kammerspiel „In den Gängen“.
Sommer 1990 also. Maren, ihr Lebensgefährte Robert (Max Riemelt) und sein aus dem Westen zurückgekehrter Vorgänger Volker (Ronald Zehrfeld) haben nun viel Zeit, den ganzen Tag in die blühenden Landschaften zu gucken. Und da bemerken sie die LKWs, die zu einem längst stillgelegten Schacht fahren. Was wollen die da?
Die historischen Fakten: Im Halberstädter Komplexlager 12 wurde gleich nach der Währungsunion alles plötzlich wertlose Papiergeld der DDR eingelagert. 400 Tonnen, nicht mal mehr als Klopapier zu gebrauchen.
Geld ist gedruckte Freiheit
Fjodor Dostojewski, der russische Schriftsteller wird im Abspann zitiert.
Im Vorspann sehen wir ein virtuoses Kaleidoskop der Geldschein-Motive, die vielen wohl noch immer urvertraut sind. Lauter Szenen aus dem werktätigen Leben: Ingenieurin vor Schaltpult, Mähdrescher auf Kornfeld, die Kleinsten im Kindergarten. So ein Unfug, wird sich mancher jetzt beschweren, es gab nie einen DDR-Schein mit Kindergarten! Doch, das war der Zweihunderter. Er wurde ebenso wie der Fünfhunderter niemals ausgeliefert, tauchte aber nach 1990 immer mal wieder auf.
Maren, Robert und Volker stehen plötzlich vor den unterirdischen Geldbergen, denn ein mit der Welt zerfallener Wachmann (Peter Kurth) hat sie eingelassen. Die drei können nicht anders, als in den Altpapiergebirgen noch immer Geld zu erkennen – und nehmen sich, so viel sie tragen können. Maren, Robert und Volker gab es wirklich: Diebe nahmen die Scheine einst rucksackweise mit.
Aus „Volkseigentum“ wird Konkursmasse
Im Abspann steht zuletzt ein Dostojewski-Satz: „Geld ist gedruckte Freiheit.“ Maren, Robert und Volker probieren sie aus. Immerhin gilt die Umtauschfrist für DDR-Bürger im Ausland und für Diplomaten bis in den Herbst 1990 hinein. Könnten sie vielleicht ihren alten Betrieb von der Treuhand zurückkaufen?
Die Währungsunion hatte aus dem vormaligen „Volkseigentum“ bloße Konkursmasse gemacht. So wollen sie das nicht stehenlassen. Skurrile, zunehmend surreale Szenarien nehmen ihren Lauf, die drei Freunde von Kindheitstagen an müssen zudem neu zueinander finden. Denn dass Robert nun wieder da ist, wegen mangelnder Beheimatung im Westen, macht es nicht einfacher. Seine kleine Tochter weiß beim Wiedersehen genau, wen sie vor sich hat: „Du bist der Arsch, oder?“
Das ist viel für einen Film, zu viel vielleicht, aber hat das Leben etwa geordnete Anfänge, Übergänge und Schlüsse? Sandra Hüller, Max Riemelt und Ronald Zehrfeld tragen „Zwei zu Eins“ durch alle Fährnisse hindurch.