Nach Kollaps im dritten Halbfinale: Alba Berlin steht in Chemnitz mit dem Rücken zur Wand

Zwei Minuten vor Ende des dritten Viertels sah die Basketballwelt für Alba Berlin sehr vielversprechend aus. Bei den Niners Chemnitz führte das Team am Sonntagnachmittag mit 60:44 und war auf dem besten Weg, in der Halbfinalserie mit 2:1 in Führung zu gehen. Beim Ertönen der Schlusssirene standen die Berliner allerdings mit leeren Blicken auf dem Parkett und wirkten völlig ratlos.

Die letzten zwölf Spielminuten hatten sie mit 12:40 verloren und damit auch das dritte Halbfinale. Es war ein unerklärlicher Kollaps in einem enorm wichtigen Moment. „Es war ein kompletter Blackout und wir waren am Ende stehend K.o.“, sagte Sportdirektor Himar Ojeda.

Nun führen die Sachsen 2:1 und Alba braucht am Dienstag (18.30 Uhr) in der Messe Chemnitz unbedingt einen Sieg, um das vorzeitige Saisonende zu verhindern und sich in ein entscheidendes fünftes Spiel zu retten. Dieses würde am Donnerstag (18.30 Uhr) in Berlin stattfinden.

Die desolaten Eindrücke, die Alba am Sonntag in Chemnitz hinterlassen hat, lassen aber daran zweifeln, ob das Team die mentale Stabilität hat, um noch einmal zurückzuschlagen. Die Berliner Verantwortlichen haben im Laufe der Saison oft betont, dass die Mannschaft in großen Teilen neu zusammengestellt und jung sei. Dass Alba in der Euroleague nicht konkurrenzfähig war, lässt sich damit erklären. Der Zusammenbruch am Sonntag ist hingegen kaum nachvollziehbar.

Es war ein kompletter Blackout und wir waren am Ende stehend K.o.

Himar Ojeda, Sportdirektor von Alba Berlin

In den vergangenen Wochen und Monaten sah es so aus, als hätte sich die Mannschaft langsam gefunden, und nach den Ausfällen von Gabriele Procida, Matteo Spagnolo und Ziga Samar ist Alba auch nicht mehr außergewöhnlich jung.

Johannes Thiemann ist Weltmeister, Matt Thomas hat 2019 den Eurocup gewonnen, Sterling Brown ist knapp 300 Mal in der NBA aufgelaufen, Martin Hermannsson spielte schon unter Aito in Berlin und auch Albas Eigengewächse sowie Louis Olinde haben bereits zahlreiche Titel gewonnen. An Erfahrung hat die Mannschaft den Chemnitzern einiges voraus, zumal diese nach einem Tritt gegen Tim Schneider ohne den disqualifizierten Kevin Yebo auskommen mussten.

Das Selbstverständnis, das Alba über Jahre ausgezeichnet hat, fehlt aber momentan. Auf Rückschläge findet das Team innerhalb eines Spiels keine Antworten, auch Trainer Israel Gonzalez schafft es nicht, von außen ordnend einzugreifen. Resilienz scheint für die Berliner ein Fremdwort zu sein.

So verlor Alba am Sonntag erst den Faden, dann die Sicherheit und grub sich schließlich selbst immer tiefer in ein Loch. Die Ballverluste reihten sich aneinander, am Ende waren es mit 20 mehr als doppelt so viele wie beim Gegner. Offensiv fehlte zudem jeglicher Esprit und das Team versteifte sich auf Dreipunktewürfe. Die Verteidigung ähnelte irgendwann eher einem Hühnerhaufen. „Wir haben plötzlich aufgehört, an uns selbst zu glauben. Unser Selbstbewusstsein schrumpfte und schrumpfte. Und umso mehr es bei uns runterging, umso mehr stieg es bei Chemnitz“, sagte Ojeda.

40

Punkte ließ Alba in den letzten zwölf Minuten zu.

Diese Probleme offenbart Alba nicht zum ersten Mal in dieser Saison. In der Euroleague waren es oft kurze Phasen, die den Berlinern bis dahin gute Leistungen zunichtemachten. Im Pokalhalbfinale gegen Ulm sah es im Februar lange Zeit gut aus, bis das Team im Schlussviertel in sich zusammenfiel.

In der aktuellen Serie gegen Chemnitz ist es Alba bereits einmal gelungen, nach einem enttäuschenden Spiel zurückzuschlagen. Am Dienstag bleibt den Berlinern gar nichts anderes übrig. „Do or die“, wie es sehr martialisch im anglophonen Basketball heißt. „Wir hoffen, dass dieses Spiel nicht im Kopf hängenbleibt. Wir müssen sehen, dass so etwas nicht noch einmal passiert“, sagte Ojeda. Denn Alba hilft nur ein Sieg, sonst endet die Saison wie im Vorjahr enttäuschend vor dem Finale. (mit dpa)