Sensation bei der WM: Deutsche Basketballer entzaubern die USA und ziehen ins Finale ein
Nach dem historischen ersten Finaleinzug bei einer WM rannten die deutschen Basketballer völlig enthemmt über das Parkett und tanzten danach ausgelassen im Kreis. Das Team um Kapitän Dennis Schröder besiegte am Freitag Olympiasieger und Topfavorit USA in Manila im Halbfinale in einem Basketball-Spektakel mit 113:111 (59:60) und spielt damit am Sonntag gegen Serbien um den Weltmeister-Titel.
Angeführt vom überragenden Franz Wagner (22 Punkte) und einem kaum zu stoppenden Andreas Obst (24) trotzte Deutschland dem NBA-Starensemble auf beeindruckende Art und Weise. Es war der größte Sieg der Nationalmannschaft seit dem EM-Triumph im Jahr 1993. Auch Center Daniel Theis (21 Punkte) trug wesentlich zu dem Höhepunkt deutscher Basketball-Geschichte bei.
Jungstar Wagner, Schröder (17 Punkte) und ihr Team können am Sonntag (14.40 Uhr/Magentasport und ZDF) in der riesigen Mall of Asia Arena eine ganze Generation krönen. Selbst bei einer Niederlage im Endspiel gegen Serbien hat Deutschland aber eine WM-Medaille bereits sicher – und das auf den Tag genau 21 Jahre nach Bronze in Indianapolis 2002, der bisher einzigen WM-Medaille.
„Historisch“, schrieb Bundeskanzler Olaf Scholz im Kurznachrichtendienst X, vorher Twitter. „Wir haben einfach zwölf geile Jungs. Wir haben gefightet bis zum Ende. Es macht einfach unglaublich viel Spaß mit den Jungs“, sagte der bärenstarke Franz Wagner. „Es ist einfach geil. Andi Obst hat heute unfassbar gespielt. Es ist einfach unbeschreiblich“, sagte der NBA-Profi der Orlando Magic.
Obst mit dem wohl besten Spiel seiner Karriere
Nun will Deutschland auch den Titel. „Ich will nicht zu viel feiern. Es ist megageil, aber wir haben noch ein Spiel“, sagte Johannes Thiemann. „Wir waren bis zum Schluss tough. Das hat uns am Ende ins Finale gebracht“, sagte Obst nach dem wohl besten Spiel seiner Karriere.
Die US-Basketballer müssen nach dem Viertelfinal-Aus vor vier Jahren in China erneut einen schweren Rückschlag auf der WM-Bühne hinnehmen und spielen am Sonntag (10.30 Uhr) gegen die ebenfalls enttäuschten Kanadier nur noch um Bronze. Für den Topfavoriten ist das allenfalls ein Trostpreis. Der angepeilte sechste Weltmeister-Titel nach 1954, 1986, 1994, 2010 und 2014 muss mindestens bis zum Turnier in Katar 2027 warten.
Das ist WM-Halbfinale. Enjoy the shit!
Dennis Schröder vor dem Spiel zu seinen Kollegen
Deutschland kam mit der makellosen Bilanz von sechs Siegen in das mit Spannung erwartete Halbfinale. Selbst die USA (104:110 gegen Litauen) hatten bereits ein Spiel verloren. „Das ist WM-Halbfinale. Enjoy the shit“, rief Anführer Schröder seinem Team unmittelbar vor der Partie zu.
Anders als in den vergangenen Spielen wollte Deutschland gegen die Superathleten aus der NBA von Anfang an hellwach sein. Und das gelang. Der starke Theis blockte direkt in der ersten Minuten sehenswert, die USA wirkten teilweise eingeschüchtert und nahmen in der Folge eher Würfe von außen.
Schröder agierte zwei Tage nach seiner schlechten Leistung gegen Lettland deutlich zurückhaltender und ließ den Ball durch die deutschen Reihen laufen. Der 22 Jahre junge Wagner sah nach seiner Knöchelverletzung hingegen wieder richtig fit aus und attackierte pausenlos. Nach einem krachenden Dunk zum 14:9 zeigte der Flügelspieler vor 11.011 Zuschauern seine Muskeln, die USA reagierten sofort mit einer Auszeit.
25 Punkte in den ersten fünf Minuten
Deutschland bewegte den Ball stark und bekam viele hochprozentige Abschlüsse. 25 Punkte in den ersten fünf Minuten waren Zeugnis der überragenden Offensive, in der Franz Wagner zeitweise an den jungen Dirk Nowitzki erinnerte.
Doch auch die USA, die ohne Superstars wie Stephen Curry und LeBron James in Asien antreten, boten in der Offensive Höhepunkt um Höhepunkt. Das hochveranlagte Flügelduo Mikal Bridges und Anthony Edwards befand sich im Angriffsmodus und traf hochprozentig. Beide Stars hatten schon zur Halbzeit 15 Zähler. Doch das Spiel konnten sie zunächst genauso wenig auf die US-Seite ziehen wie Dreierspezialist Austin Reaves, der beinahe in diesem Sommer bei Deutschland eingebürgert worden wäre.
Es war spannend wie beim Vorbereitungsspiel in Abu Dhabi, als die Deutschen Mitte August nach einer 16-Punkte-Führung noch 91:99 verloren. „Die Amis sind unglaublich talentiert. Wir müssen sehr fokussiert sein, aber man darf nicht ängstlich sein“, sagte Moritz Wagner vor dem Spiel bei Magentasport.
Angst war beim deutschen Team nicht zu spüren, vor allem bei seinem Bruder Franz nicht. Der deutsche Hoffnungsträger warf Dreier, attackierte den Korb und lieferte sich immer wieder Wortgefechte mit den Schiedsrichtern. Das Duell zwischen den beiden überragenden Offensivteams setzte sich nach der Pause fort. Deutschland ging angeführt vom überragenden Obst mit einer Zehn-Punkte-Führung ins Schlussviertel – und zeigte auch da keine Nerven.