WM-Mitfavoritin Darja Varfolomeev: Vom Mädchen aus Russland zum deutschen Gymnastik-Gesicht

Fünfmal Gold sind Motivation. „Ich bin sehr froh, aber das heißt auch, dass ich noch mehr arbeiten soll, um bei der Weltmeisterschaft auch voll gute Leistungen zu zeigen“, sagte Darja Varfolomeev mit einem strahlenden Lächeln, nachdem sie bei den deutschen Meisterschaften Anfang Juli in Düsseldorf die Titel im Mehrkampf sowie mit dem Band, den Keulen, dem Reifen und dem Ball gewonnen hatte.

Mit gerade 16 Jahren ist die gebürtige Russin das Gesicht der deutschen Rhythmischen Sportgymnastik – und im Deutschen Turner-Bund (DTB) die größte Medaillenhoffnung bei den Weltmeisterschaften ab Mittwoch in Valencia.

Bei den deutschen Meisterschaften habe Darja mit Blick auf die WM mit wirklich hochkarätigen Wertungen Ausrufezeichen gesetzt, befand Sportdirektor Thomas Gutekunst. „Damit kann sie auch bei der Weltmeisterschaft in Valencia vorne angreifen“, sagte er. Für sie gehe es darum, Platz zwei im olympischen Mehrkampf oder auch den WM-Titel zu bestätigen.

Daran wird Varfolomeev gemessen. Im vorigen Jahr in Sofia hatte sie den WM-Titel mit den Keulen gewonnen – es war das erste WM-Gold für den DTB seit 1975. Dazu gab es Silber mit dem Ball und Bronze mit dem Reifen sowie als wohl wertvollstes Resultat Silber im Mehrkampf. Denn der zweite Platz war gleichbedeutend mit einem Quotenstartplatz bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris. Die Erfolgsserie setzte die Schülerin aus Fellbach in diesem Jahr in Baku mit dem Europameister-Titel mit dem Band fort.

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Goldmedaillen gewann Varfolomeev bei den Deutschen Meisterschaften.

„Das ist nur noch mehr Arbeit, weil ich versuchen muss, noch bessere Leistungen zu zeigen, auch im Mehrkampf“, sagte die meist nur Dascha gerufene Gymnastin vom TSV Schmiden. „Mehrkampf ist das Wichtigste. Da versuche ich, aufs Treppchen zu kommen. Das ist mein Traum.“

Um sich diesen Traum zu erfüllen, ist Darja Varfolomeev aus dem westsibirischen Barnaul nach Deutschland gekommen, mit nur zwölf Jahren, allein, ohne Eltern, ohne die Sprache zu sprechen. Dank eines deutschen Großvaters konnte sie die Staatsbürgerschaft wechseln. Inzwischen lebt sie mit ihrem Vater und ihrer fünf Jahre alten Chihuahua-Hündin in Fellbach unweit von Stuttgart. Ihre Mutter ist weiterhin in Russland. „Meine Mutter ist oft unterwegs wegen der Arbeit. Aber sie kommt voll oft“, sagte sie.

Als die künftige Zehntklässlerin im vorigen Jahr völlig unerwartet Weltmeisterin wurde, rieben sich nicht wenige verwundert die Augen. Der kometenhafte Aufstieg der Teenagerin aber hat auch eine Vorgeschichte. „Als sie gekommen ist, hatte sie Potenzial, auf jeden Fall“, sagte ihre Trainerin Yuliya Raskina, die sie seit ihrer Ankunft in Deutschland in Schmiden betreut. Als Juniorin sei sie „okay“ gewesen, urteilte die 41 Jahre alte Olympia-Zweite im Mehrkampf von Sydney 2000. „Wir haben sie langsam aufgebaut, langsam mit ihr gearbeitet ohne Stress“, berichtete die Belarussin, die ihren Schützling als ehrgeizig und ausdrucksstark beschreibt.

Aber dann kam die einschneidende Corona-Zeit. Wettkämpfe waren tabu, Welt- und Europameisterschaften gab es nicht. „Sie hat diese ganz Junioren-Zeit verloren“, sagte Raskina. Und im Verborgenen ist Darja Varfolomeev dieser Phase entwachsen und in den Erwachsenen-Bereich gewechselt. „Dann, im ersten Jahr bei den Senioren, war sie so hungrig auf Wettkämpfe. Sie wollte so sehr turnen, denn sie war einfach in der Halle eingesperrt. Wir haben nur Online-Wettkämpfe gemacht. Sie war so glücklich, einfach sich zu zeigen. Es war schnell, aber nicht so schnell für uns“, erzählte die Trainerin.