Jetzt neu im Kino: Leises Drama über Sexismus und Aufbegehren
Fünf Oskars, eine goldene Palme, riesiger Hype: der US-amerikanische Film „Anora“ ging durch die Decke. Er erzählt von der Härte des Lebens einer Frau, die beim Bestreiten ihre Existenz zwischen Nachtklubs und Polestangen versucht, die Spielregeln des Patriarchats auszudribbeln.
„Alle lieben Touda“ versetzt diese Prämisse nach Marokko: das Portrait einer Frau am Rande der Gesellschaft, die in der Musik Emanzipation sucht.
Sonst so? Der neue Wes-Anderson-Film erinnert mal wieder an ein perfekt symmetrisch inszeniertes Klassentreffen der Hollywood-Elite, und Pablo Agüero lässt Saint-Exupérys kleinen Prinzen wieder aufleben.
Was sich diese Woche im Kino noch zu sehen lohnt, lesen Sie hier.
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1 Der Phönizische Meisterstreich
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„Anora“ aus Marokko: Wir folgen einer alleinerziehenden Mutter, die auf Dorffesten als Sängerin in der Tradition der Sheikhas auftritt.
Angewiesen auf das Geld von Männern, die sie missbrauchen, träumt sie von einem Neuanfang in Casablanca. Von einer bezahlbaren Wohnung, einer Schule für ihren gehörlosen Sohn, ihrem Durchbruch als Künstlerin und von Respekt.
Dort angekommen, wird sie tatsächlich endlich gesehen – aber zu oft noch immer nicht für ihr Talent und die Gesangskunst des Aïta, sondern für ihren Körper.
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Trotz der lauten Lieder Toudas und der beeindruckenden Hauptdarstellerin Nisrin Erradi ist „Alle lieben Touda“ ein leises Drama über patriarchale Strukturen, Sexismus, Aufbegehren und die Suche nach einem besseren Leben.
Und damit kein fremd wirkendes, sondern eines, das täglich auch außerhalb des arabischen Raumes passiert. Weil Frauen, vielleicht subtiler, fast überall unterdrückt werden und das „Vom Tellerwäscher zum…“-Versprechen oft bloß eine kapitalistische Mär wider des Klassismus ist.
Tipp: Nach Möglichkeit lieber im Original mit Untertiteln gucken. (Fabian Soethof)
3 Karate Kid: Legends
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Ostpreußen 1942: Rosa (Elisa Schlott) kommt aus Berlin in das Heimatdorf ihres Mannes Gregor, der an der Ostfront als Soldat der Wehrmacht kämpft. Dort hilft sie ihren Schwiegereltern auf dem Hof. Die berichten ihr davon, dass in der Nähe des Dorfes das als „Wolfsschanze“ bekannte Hauptquartier von Adolf Hitler errichtet wurde.
Wenige Tage nach ihrer Ankunft wird Rosa gemeinsam mit sechs anderen Frauen von SS-Truppen abgeholt und in die Wolfsschanze gebracht. Dort sollen sie als Vorkosterinnen das Essen des Diktators auf mögliches Gift testen.
Wenn die verängstigten Frauen unter Nötigung der Wachen die Nahrung aufnehmen sollen, erinnert „Die Vorkosterinnen“ bisweilen an Pasolinis Faschismus-Kritik „Die 120 Tage von Sodom“, kann sich aber nicht zu einer ähnlich pointierten Bildsprache durchringen.
Szenenbild und Handlung sind bis auf jene intensiven Szenen bloß Pastiches anderer NS-Dramen. Das Verhältnis zwischen Rosa und dem Obersturmführer (Max Riemelt) sowie der zunächst beiläufige Umgang mit dem Holocaust ziehen die schnell auserzählte Prämisse unnötig in die Länge. (Fabian Kurtz)
5 Saint-Exupéry – Die Geschichte vor dem kleinen Prinzen
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Als Muriel (Daisy Edgar-Jones) das Fenster öffnet, liegt auf der Motorhaube des Wagens ein junger, schöner Mann mit nacktem Oberkörper. „Ich bin Julius“, sagt er nur. „Ich weiß“, erwidert sie.
Die Anziehungskräfte sind nicht zu übersehen. Julius (Jacob Elordi) ist der Bruder ihres Verlobten Lee (Will Poulter), gerade aus dem Koreakrieg heimgekehrt. Gemeinsam wollen die Drei nach Kalifornien ziehen.
Aber Julius versucht sein Glück als Spieler in Las Vegas und lernt dort den Mexikaner Henry (Diego Calva) lieben. Ohne Lees Wissen unterhält Muriel mit Julius einen regen Briefwechsel, erwettet auf der Pferderennbahn ein kleines Vermögen und fühlt sich zur Nachbarin Sandra (Sasha Calle) hingezogen.
Regisseur Daniel Minahan beleuchtet die Boomer-Ära aus der Perspektive zweier Menschen, die nicht in die heterosexuellen Normen hineinpassen. Stilsicher und mit geschmeidiger Kameraarbeit fasst das Melodram die Hochglanz-Versprechungen der 50er ins Bild, zeigt die gesellschaftliche Repression gegen Andersliebende und entfaltet eine sinnliche Melancholie von ganz eigener, cineastischer Kraft. (Martin Schwickert)
Eine weitere Rezension können Sie hier lesen.
7 Blindgänger
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„Er war schon als junger Mensch ein alter Mann“, sagt sein Kollege Jürgen Becker. „Und jetzt altert er auf das Alter zu, das er auf der Bühne darstellt.“ Forever young oder forever old?
1987 gründete Rainer Pause das Pantheon-Theater in Bonn, das in den Folgejahren zur Kabarettistenschmiede der BRD wurde.
Und mit dem Pantheon erfand er, etwa 40-jährig, auch die Bühnenfigur Fritz Litzmann: der prototypische bundesdeutsche Spießbürger, hornbebrillt, die Haare pomadiert, stockkonservativ und grundsätzlich schon immer alt.
Diese Figur war, so Helge Schneider, Pauses zweite Identität, die er jetzt „in echt“ erreicht habe. Nahezu die gesamte Kabarettwelt kommt im Porträt von Pauses Sohn Aljoscha zu Wort, das auch die Kabarettgeschichte der BRD und eine nicht unkomplizierte Vater-Sohn-Beziehung miterzählt.
Filmisch schöpft Pause aus dem Vollen, mit eindringlichen Bildern (Robert Schramm) und dramatischer Musik (Roland Meyer de Voltaire).
Bleibt nur die Kardinalfrage: Kann ein Sohn den eigenen Vater so porträtieren, dass es auch für Nicht-Fans interessant bleibt? Schwierig, aber er kann.(Thomas Wochnik)