Mindestens 96 LGBTIQ*-Athlet*innen: Die Fußball-Weltmeisterschaft ist queerer denn je
Die Fußball-Weltmeisterschaft ist queerer denn je. Wie aus einer Analyse des Magazins Outsport hervorgeht, sind in diesem Jahr mindestens 96 offen queere Personen beim Turnier in Australien und Neuseeland dabei. Das sind rund 13 Prozent der gesamten Athlet*innen, mehr als doppelt so viele wie bei der letzten WM 2019.
Zu den bekanntesten Gesichtern gehören US-Amerikanerin Megan Rapinoe und die Brasilianerin Marta. Rapinoe, die mit der erfolgreichen Basketballerin Sue Bird verheiratet ist, hatte sich in der Vergangenheit immer wieder für queere Rechte eingesetzt. Marta Vieria da Silva, die bereits zum sechsten Mal bei einer WM dabei ist, hatte vor einigen Jahren ihre Beziehung mit ihrer Ehefrau Toni Deion Pressley öffentlich gemacht und ist vielen Menschen in ihrem Heimatland ein wichtiges Vorbild.
Zu den großen Talenten bei der WM gehört auch die 18-jährige Kolumbianerin Linda Caicedo, was sie mit ihrem Traumtor gegen das deutsche Team eindrucksvoll unter Beweis stellte. Sie hat in ihren jungen Jahren bereits einiges durchgemacht. So wurde vor drei Jahren bei ihr Eierstockkrebs diagnostiziert, später kämpfte sie sich Stück für Stück zurück und steht derzeit bei Real Madrid unter Vertrag. Die offen lesbische Fußballerin dürfte im weiteren Verlauf des Turniers noch für einige Überraschungsmomente sorgen.
Im kanadischen Team ist Mittelfeldspieler*in Quinn dabei. Quinn war die erste nicht-binäre Person, die bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio die Goldmedaille holte. Bereits 2020 sagte Quinn: „Ich möchte für queere Menschen sichtbar sein. Und ich möchte Cis-Leute herausfordern, bessere Verbündete zu sein“. Cisgeschlechtliche Menschen sind Personen, die sich mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Genau wie Megan Rapinoe steht Quinn derzeit bei OL Reign in den USA unter Vertrag. Bei der Weltmeisterschaft schied das kanadische Team nach dem 0:4 gegen Gastgeber Australien allerdings noch vor dem Achtelfinale aus.
Oberdorf wünscht sich mehr Akzeptanz bei den Männern
Die meisten offen queeren Athletinnen spielen für Australien, dort sind es mindestens zehn. Darauf folgen Brasilien (9), Irland (9) und Schweden (8). Auch beim deutschen Nationalteam gibt es sechs offen queere Fußballerinnen wie Sara Doorsoun, Svenja Huth und Lena Oberdorf, die vor dem Turnier in einem Interview mit dem „Guardian“ über die Beziehung zu ihrer Freundin sprach. Im Fußball der Frauen sei es längst normalisiert, offen lesbisch zu sein, so Oberdorf. „Ich wünschte, jeder schwule Fußballer könnte sich outen und von allen akzeptiert werden.“
Bis Queerness im Fußball der Frauen normalisiert wurde, war es ein langer Weg. Immer wieder waren Fußballerinnen mit Sexismus und Queerfeindlichkeit konfrontiert. „Entweder du bist das Sexobjekt oder du bist die Kampflesbe“, sagte Nadja Pechmann, Schiedsrichterin beim Berliner Verein Seitenwechsel gegenüber dem Deutschlandfunk.
Auch Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg berichtete in einer kürzlich erschienene ARD-Dokumentation von einer fragwürdigen Entscheidung bei der Nominierung für die Olympischen Spiele 2000, nachdem die Beziehung zu ihrer damaligen Partnerin Inka Grings öffentlich geworden war. Außerdem sagte sie: „Ich verliebe mich in einen Menschen, nicht in einen Mann oder in eine Frau.“
In Deutschland trug die ehemalige schwedische Nationalspielerin Nilla Fischer entscheidend zur Sichtbarkeit queerer Spielerinnen bei. Während ihrer Zeit beim VfL Wolfsburg führte sie als Kapitänin 2017 die Regenbogenarmbinde ein. Bei der WM wurde diese vom Weltverband Fifa untersagt.
Ob Spielerinnen bei einem Turnier wie der WM offen mit ihrer Queerness umgehen können, hängt auch maßgeblich mit der Situation in ihrem Heimatland und dem damit einhergehenden Sicherheitsrisiko zusammen. Bei einer Pressekonferenz wurden der marokkanische Trainer Reynald Pedros und Kapitänin Ghizlane Chebbak von einem Reporter gefragt, ob es homosexuelle Spielerinnen in der Mannschaft gebe.
Medienberichten zufolge schritt der Fifa-Moderator ein und stoppte die Befragung. In Marokko, das zum ersten Mal an einer Fußball-WM der Frauen teilnimmt, ist Homosexualität kriminalisiert. Laut dem Strafrechtsparagrafen 489 stehen auf homosexuelle Handlungen bis zu drei Jahre Haft. Der britische Sender BBC entschuldigte sich später für die Frage seines Reporters und bezeichnete sie als „unangemessen“.