Schriftstellerin Julia Schoch im Gespräch: „Die Liebe wird weniger mit der Zeit, wen soll man dafür belangen?“
Frau Schoch, Sie haben über eine langsam verdämmernde Liebesbeziehung geschrieben. Da heißt es: „Ich habe einen Wimpernschlag gebraucht, mich in dich zu verlieben und 30 Jahre, um Gründe dagegen zu sammeln.“ Ist es das, was ein Paar nach der Paarung tut?
Der französische Dichter Stendhal hatte eine andere Theorie. Nach der reichert sich das Bild des Geliebten an wie ein Zweig, den man in eine Salzmine steckt, an dem sich immer mehr Kristalle festsetzen. Da wird alles mit der Zeit immer schöner. Eigentlich beschreibt er damit aber nicht die Liebe, sondern das Sich-Verlieben. Stendhal hat wahrscheinlich mit keiner Frau länger als einen Monat zusammengelebt. Wenn man das aber 30 Jahre lang tut, sind es nicht die Kristalle der Faszination, die sich anreichern. Dann entsteht ein klarerer, vielleicht auch ernüchterter Blick auf den anderen.