Flatrate-App für Batman, Lucky Luke und Donald Duck: Deutsche Verlage starten Comic-Abo im Netflix-Stil

Der für Bestseller-Reihen wie „Asterix“ und zahlreiche Disney-Serien bekannte Egmont-Ehapa-Verlag aus Berlin und der Superhelden-Verlag Panini aus Stuttgart öffnen an diesem Dienstag ein neues Kapitel in der digitalen Verfügbarkeit von Comics. Mit der Plattform „Swoosh“ starten sie das nach ihren Angaben „deutschlandweit erste „All-you-can-read“-Comic-Angebot als Abonnement“.

Angelehnt an das Erfolgsmodell des Film-Streamingdienstes Netflix können Comic-Fans auf www.swoosh.de für einen monatlichen Abopreis von 9,99 Euro auf Dutzende laufende Heft- und Albenserien zugreifen. Dazu gehören vor allem klassischen Erfolgstitel wie das „Micky Maus-Magazin“, „Lucky Luke“ und „Lustiges Taschenbuch“ (Egmont Ehapa) sowie mehr als 900 Comics aus Serien wie „Batman“, „Superman“ und „Star Wars Comics“ (Panini).

Mehr als 50.000 Comicseiten sind bei „Swoosh“ bislang online lesbar.
Mehr als 50.000 Comicseiten sind bei „Swoosh“ bislang online lesbar.
© Screenshot: Tagesspiegel

Nach Angaben von Egmont sind derzeit bereits mehr als 50.000 Comicseiten online lesbar. „Jede Woche kommen neue Comic-Ausgaben hinzu, damit Swoosh mit Neuerscheinungen, aber auch mit Comic-Klassikern attraktiv und abwechslungsreich bleibt“, heißt es in der Verlagsankündigung. Das Angebot kann mobil per Smartphone, über ein Tablet oder einen PC genutzt werden. Comics lassen sich zur späteren Lektüre auch herunterladen.

Von „Avatar“ bis „The Witcher“

Ein Selbsttest kurz vor dem offiziellen Start des Angebots ergab allerdings ein eher durchwachsenes Ergebnis.

Einerseits gibt es ein auf den ersten Blick durchaus beeindruckendes Angebot von rund 100 Serien, die derzeit zur Auswahl stehen. Es umfasst bei Panini neben zahlreichen Superhelden-Reihen auch mehrere mit Blockbuster-Filmen korrespondierende Reihen, von „Avatar“ bis „The Witcher“. Dazu kommen Stephen-King-Adaptionen wie „Der Letzte Turm“ und „The Stand“ und einige Kindercomics für jüngere Leserinnen und Leser.

Bei Egmont Ehapa gibt es neben einer Auswahl von Lucky-Luke-Comics vor allem eine breite Palette an Disney-Comics: Vom „Donald Duck Sonderheft“ über diverse Haupt- und Nebenreihen des „Lustigen Taschenbuchs“ bis zur Zeitschrift „Micky Maus“.

„Asterix“ und „Idefix“ fehlen noch

Andererseits fallen auch einige große Lücken ins Auge. So fehlen bei Egmont Ehapa mit „Asterix“ und „Idefix“ die wohl erfolgreichsten Titel desVerlages. Bei anderen Reihen gibt es bislang nur ältere Titel, zum Beispiel werden bei „Lucky Luke“ die jüngsten zwei Alben und die Hommage-Bände bislang nicht angeboten.

„Zu Asterix und Idefix sind wir noch in Verhandlungen mit unserem Lizenzpartner“, erklärt Jörg Risken, Publishing Director Magazines bei Egmont Ehapa Media, auf Anfrage des Tagesspiegels. Und bei „Lucky Luke“ sehe die Planung vor, „dass die Titel der Reihe regelmäßig ausgetauscht, beziehungsweise ergänzt werden“.

Rund 100 Serien stehen bislang zur Auswahl, es gibt aber noch einige große Lücken.
Rund 100 Serien stehen bislang zur Auswahl, es gibt aber noch einige große Lücken.
© Screenshot: Tagesspiegel

Auch bei Panini fehlen derzeit noch zahlreiche aktuell populäre Titel und Serien, die ein Monatsabo für Fans als Ersatz für einzeln gekaufte Print-Comics sinnvoll machen würden. „Das aktuelle Portfolio der Titel von Panini ist zum einen das Ergebnis der Swoosh-Programmplanung, welche kontinuierlich erneuert und ergänzt wird“, sagt Risken dazu. „Zum anderen richtet sich die Programmplanung auch hier nach der Verfügbarkeit der digitalen Rechte, die nach und nach erweitert werden sollen.“

Manga als Herausforderung

Ein Bereich, der im Print-Verlagsgeschäft in den vergangenen Jahren zunehmend an wirtschaftlicher Bedeutung gewonnen hat, fehlt bei „Swoosh“ zudem bislang komplett: Manga. Sowohl Egmont Ehapa als auch Panini haben in diesem Bereich eigentlich viel zu bieten, doch die entsprechenden Sortimente der beiden Verlage fehlen auf der Plattform.

„Perspektivisch ist die Integration von Manga-Titeln auf jeden Fall eine Option“, sagt Jörg Risken. „In diesem Bereich ist die Verhandlung der digitalen Rechte jedoch etwas herausfordernd.“ Er gehe aber davon aus, „dass sich die Rechteinhaber nach und nach für die Nutzung ihrer Titel auf unserer Plattform öffnen werden.“

Neben Panini will Egmont Ehapa weitere deutschsprachige Verlage mit an Bord holen.
Neben Panini will Egmont Ehapa weitere deutschsprachige Verlage mit an Bord holen.
© Screenshot: Tagesspiegel

Im Vergleich zu anderen, vor allem in Nordamerika populären digitalen Comic-Leseangeboten fällt zudem auf, dass man bei „Swoosh“ die Comicseiten bildschirmfüllend angezeigt bekommt, was insbesondere bei großformatigen Alben dazu führt, dass man die einzelnen Panels nur dann richtig lesen und sehen kann, wenn man sie manuell einzeln anklickt. Das ist auf Dauer ermüdend.

Andere Anbieter, darunter der Amazon-Dienst Kindle, haben dafür die Option des „Guided Viewing“, bei dem die Panels nacheinander bildschirmfüllend gezeigt werden, was vor allem bei Comics mit viel Inhalt pro Seite sehr viel leserfreundlicher ist. „Das Panel-View-Feature ist eines der Angebote, welches auf absehbare Zeit ergänzt werden soll“, sagt Verlagsleiter Risken dazu.

Suche nach weiteren Partnern

Mangelhaft ist bislang auch die Suchfunktion des neuen Angebots. Man kann zwar nach einzelnen Reihen-Titeln suchen, aber nicht nach Zeichnern oder Autoren. Diese Funktion soll ebenfalls noch ergänzt werden, sagt Risken.

Dazu gehört auch die Perspektive, neben Egmont Ehapa und Panini weitere deutschsprachige Verlage mit an Bord zu holen. Risken: „Wir führen bereits Gespräche mit einigen Publishern und sind offen für weitere Gespräche.“ Grundsätzlich gebe es bei einigen Verlagen und Rechteinhabern aber noch „Berührungsängste mit digitalen Angeboten“.

Zu den Kriterien, nach denen die bislang bei „Swoosh“ eingestellten Titel ausgesucht wurden, sagt der Verlagsleiter: „Grundsätzlich sollten alle Titel familientauglich sein und diskriminierende Inhalte ausschließen.“ Die neue Plattform richte sich an ein breites Comic-Publikum: „Comic-Fans aller Altersgruppen und Familien werden mit vielfältigen Themen aus verschiedenen Genres angesprochen.“

Und was ist die übergeordneten Idee hinter diesem neuen Angebot? Will man zusätzlich zum Print-Publikum neue Leserinnen und Leser gewinnen – oder basiert es eher auf der Annahme, dass die bisherige Print-Kundschaft nach und nach auf Digital umsteigt?

Andere deutsche Verlage betrachten das Projekt teils mit Interesse und teils mit Skepsis.
Andere deutsche Verlage betrachten das Projekt teils mit Interesse und teils mit Skepsis.
© Screenshot: Tagesspiegel

„Erfahrungen unserer Egmont-Kollegen aus Skandinavien zeigen, dass bei einem vergleichbaren Angebot nur in sehr geringem Maße eine Substitution der Nutzung von Printtiteln durch das Digitalangebot erfolgt ist“, sagt Jörg Risken. „Das Angebot ist ein zusätzlicher Service, da den Comic-Fans die Möglichkeit geboten wird, eine große Comic-Vielfalt künftig zu jeder Zeit und an jedem Ort nutzen zu können.“

Wir schließen nicht aus, uns in Zukunft an dem Projekt zu beteiligen.

Max Schlegel, Splitter-Verlag

Bei anderen Verlagen betrachtet man das Projekt teils mit Interesse und teils mit Skepsis. „Wir schließen nicht aus, uns in Zukunft daran zu beteiligen“, sagt Max Schlegel vom Splitter-Verlag in Bielefeld. Dessen Programm an Genre-Comics vor allem aus den Bereichen Fantasy und Science-Fiction würde thematisch gut in die bisherige Auswahl bei „Swoosh“ passen, ebenso wie die nach wie vor populären „Schlümpfe“-Comics, die auf dem Splitter-Imprint toonfish veröffentlicht werden.

Da Splitter im Vergleich zu Egmont Ehapa und Panini allerdings sehr viele einzelne Lizenzgeber und Vertragsmodelle haben und als unabhängiger Verlag auch weniger „Verhandlungsschwungmasse“ haben, sei es für den Verlag schwieriger, ein Streaming-Modell zu implementieren. „Das können wir nicht übers Knie brechen, und es ist leider auch nicht sicher, ob wir es überhaupt werden umsetzen können.“ Grundsätzlich finde man die Idee aber gut und hoffe, dass sie beim Publikum gut ankommt.

„Ich sehe das eher kritisch und würde wohl bei so etwas auch nicht einfach so mitmachen“, sagt hingegen Andreas Mergenthaler, Verlagsleiter bei Cross Cult. Das Ludwigsburger Unternehmen hat unter anderem Bestseller-Reihen wie „Avatar – Der Herr der Elemente“, „The Walking Dead“ und Keanu Reeves‘ „BRZRKR“ sowie Manga-Hits wie „Demon Slayer“ im Programm.

„Wir könnten so etwas rein rechtlich nur schwer umsetzen“, sagt Mergenthaler. Insbesondere die japanischen Lizenzgeber sind sehr genau, was Digitalausgaben ihrer Manga angeht. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die einem solchen Streaming-Modell zustimmen würden.“ Zudem habe die Erfahrung der vergangenen Jahre gezeigt, dass digitale Comic-Ausgaben, von Ausnahmen abgesehen, in Deutschland nicht sonderlich gefragt seien – „auch nicht, wenn sie quasi verschenkt werden“.