Ein paar Knochenbrüche zu viel
Auch am Dienstag donnerten die Bahnradfahrerinnen und Bahnradfahrer durch das Oval in der Messehalle in München. Mit dabei war wieder einer der wichtigsten Männer für die Durchführung der Wettbewerbe im Rahmen der European Championships – Sebastian von Lütcken. Der Zimmermann kümmert sich dieser Tage um die Instandhaltung der Bahn. Wenn es Stürze gibt, dann ist der Mann aus Osterholz-Scharmbeck zur Stelle. Und in diesen Tage ist wahnsinnig viel zu tun.
Erst am Montag krachte es wieder, so sehr, dass von Lütcken kurz danach mit der Leiter die Bahn hochstieg und mit dem Schleifgerät die Kerben glattmachte. Beim Punkterennen des Vierkampf-Wettbewerbes Omnium der Frauen kollidierten fünf Fahrerinnen miteinander. Johanna Kitti Borissza (Ungarn), Emily Kay (Irland) und Maike van der Duin (Niederlande) konnten die Bahn ohne größere Probleme wieder verlassen.
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Doch die Griechin Argiro Milaki und Hanna Solowej aus der Ukraine mussten sehr lange medizinisch versorgt werden. Beide Bahnradfahrerinnen wurden mit der Trage abtransportiert und ins Krankenhaus gefahren. Über die Schwere der Verletzungen war auch am Dienstag zunächst nichts bekannt – anders als bei Letizia Paternoster. Die Italienerin hatte sich am vergangenen Samstag bei einem Sturz das rechte Schlüsselbein und eine Gehirnerschütterung zugezogen.
Die Bahnradtage von München stehen unter einem schlechten Stern. Wobei die vielen Stürze nicht unbedingt viel mit Glück oder Pech zu tun haben, sondern eben mit der Bahn, die der Zimmermann Sebastian von Lütcken so oft wieder in Schuss bringen muss. Diese ist in der Messehalle nur 200 statt der üblichen 250 Meter lang. Dadurch erhöhen sich die Fliehkräfte in den Kurven – und dementsprechend steigt die Sturzgefahr.
Messehallen entspricht nicht den höchsten Ansprüchen
Die Bahn ist eines der wenigen Negativbeispiele dieser Wettkämpfe in München. Die Veranstalter proklamieren nachhaltige Spiele. Auf die Errichtung großer temporärer Arenen wurde verzichtet. Doch die Bahn in der Messehalle C1 entspricht keinesfalls den höchsten Ansprüchen – was die Sicherheit angeht.
Dabei gibt es kaum eine Sportart, in der dem Sicherheitsaspekt mehr Beachtung geschenkt werden müsste. Mit bis zu 70 km/h sind die Frauen unterwegs, die Männer sind in der Spitze noch zehn km/h schneller. Die Gänge der Räder sind starr, Bremsen gibt es nicht. Und sieben Meter Breite wie in München sind nicht besonders viel, um den Stürzenden auszuweichen.
Nun sind Unfälle im Bahnradsport kein exklusives Münchner Problem. Sie passieren überall, wie auch am Dienstag Sprint-Bundestrainer Jan van Eijden zur Verteidigung der Organisatoren klarmachen wollte. „Das gehört zum Sport dazu, gerade zum Radsport. Wenn du auf die Bahn gehst, musst du akzeptieren, dass du hinfallen kannst“, sagte er. Doch schon vor den European Championships hatte es Kritik an dem Austragungsort gegeben. Die heftigen Unfälle bestätigen nun die Befürchtungen.
Die Unfälle überschatten überdies großen Sport in der Messehalle. Allen voran die deutsche Ausnahmeathletin Emma Hinze befindet sich in glänzender Verfassung. Am Montag besiegte die 24-Jährige im Sprint-Finale die Französin Mathilde Gros. Nur ein Zielfoto konnte Aufschluss über die Siegerin geben, so knapp war es. Für Hinze war nach den Erfolgen im Team-Sprint sowie im 500-Meter-Zeitfahren bereits die dritte Goldmedaille in München. Der Sieg am Montag war vor allem deshalb der für sie emotional ergreifendste, weil sie noch am selben Tag große Magenprobleme hatte. Auf einen Start im Keirin verzichtete Hinze aus gesundheitlichen Gründen.