2:1 gegen Gladbach in der siebten Minute der Nachspielzeit: 1. FC Union holt sich Tabellenführung zurück
Statistisch gesehen war das Spiel in der 33. Minute eigentlich entschieden. Der 1. FC Union hatte kurz nach einem eigenen, zurecht aberkannten Tor das 0:1 durch Nico Elvedi kassiert – und in dieser Saison war das bisher so etwas wie eine Garantie. Vier Mal in 18 Pflichtspielen waren die Berliner bisher in Rückstand geraten, stets hatten sie den Rasen als Verlierer verlassen. Am Sonntag sah es gegen Borussia Mönchengladbach lange so aus, als bliebe diese Serie bestehen.
Doch Union hat in dieser Saison bekanntlich großen Spaß daran, Zweifler eines Besseren zu belehren, und drehte das Spiel durch Kopfballtore von Kevin Behrens und Danilho Doekhi sogar noch. Nach dem Siegtor mit der letzten Aktion in der siebten Minute der Nachspielzeit glich das Stadion An der Alten Försterei einem Tollhaus. Durch das 2:1 (0:1) vor 22.012 Zuschauern hat sich Union die Tabellenführung vom FC Bayern zurückgeholt. „Mein erstes Bundesligator, vor unseren Fans, in der 97. Minute zum Sieg und wir sind weiter Tabellenführer – das ist ein großartiger Tag für mich“, sagte Doekhi.
Drei Tage nach dem hart erkämpften Sieg gegen Braga in der Europa League rotierte Urs Fischer nur sehr gemäßigt. Für Kapitän Christopher Trimmel kam Tymoteusz Puchacz nach fast anderthalb Jahren bei Union zu seinem Bundesligadebüt. Außerdem ersetzte Andras Schäfer Morten Thorsby im zentralen Mittelfeld.
Das war eine brutale Willensleistung.
Unions Rani Khedira
Nach dem Sieg des FC Bayern am Samstag hatte Union zum ersten Mal seit dem 10. September nicht an der Tabellenspitze übernachtet. Auch wenn Fischer nicht müde wird zu betonen, dass ihn das Klassement in dieser Phase der Saison nicht interessiert, war das Ziel klar: die nächsten drei Punkte. Union begann dann auch sehr druckvoll. Die erste Chance ließ nicht lange auf sich warten – und war sehenswert herausgespielt. Doekhi verlagerte diagonal nach links, von dort ging es wieder zurück nach rechts, wo Julian Ryerson viel Platz zum Flanken hatte. Janik Haberers Schuss wurde jedoch von Joe Scally geblockt.
Die verletzungsgeplagten Gladbacher brauchten einige Zeit, um sich über Ballbesitz etwas Sicherheit zu holen. Allerdings gelang es ihnen dabei kaum, ihre Offensivkräfte zu involvieren. Alassane Plea, Marcus Thuram und Lars Stindl waren bei Unions Hintermannschaft in guten Händen. Ganz ausschalten kann man solche Spieler allerdings nie und so waren die beiden Franzosen maßgeblich an der ersten Gästechance beteiligt. Thuram holte einen Freistoß heraus, Plea prüfte Frederik Rönnow mit einem platzierten Schuss aufs rechte obere Eck.
Beide Mannschaften lieferten sich ein ausgeglichenes Spiel auf mäßigem Niveau. Gladbach stand relativ tief, um Union keine Räume für das gefürchtete Umschaltspiel zu geben. Die Berliner ließen defensiv nicht viel zu, waren aber selbst zu unpräzise im letzten Drittel. Dennoch jubelte Union nach einer knappen halben Stunde über den vermeintlichen Führungstreffer. Rani Khedira hatte aus der zweiten Reihe abgezogen und Becker unhaltbar abgefälscht. Allerdings hatte der Stürmer den Ball dabei an den Arm bekommen. Der Videoassistent schritt ein und es blieb erst einmal beim 0:0.
Die Pfiffe und Unmutsäußerungen im Publikum waren kaum verstummt, da erzielten die Gäste mehr oder weniger aus dem Nichts das 1:0. Eine Ecke von Stindl köpfte Elvedi kraftvoll und erstaunlich unbedrängt ins Tor. Union wackelte nun und hatte kurz darauf Glück, dass sich Thuram am Ende einer feinen Einzelaktion nicht belohnte. Der Gladbacher Angreifer lupfte den Ball mit der Hacke über den etwas voreilig aus dem Tor stürmenden Rönnow und köpfte dann in Bedrängnis von oben auf das Netz.
Nach knapp zehn Minuten fingen sich die Berliner wieder und hatten kurz vor der Pause noch eine Halbchance durch Schäfer. Die Anfangsphase der zweiten Hälfte verlief ereignislos und so setzte Fischer nach einer knappen Stunde Impulse von draußen. Mit Sven Michel, Genki Haraguchi und Trimmel brachte er frische Beine, später mit Behrens und Jamie Leweling weitere Offensivkräfte. Die Berliner wollten die erste Heimniederlage in der Bundesliga unbedingt verhindern.
Die Gladbacher ließen kaum klare Chancen zu, konnten sich aber kaum noch aus dem Berliner Powerplay befreien. „Ab der 60. Minute haben wir das Fußball spielen eingestellt“, ärgerte sich Marvin Friedrich, der an alter Wirkungsstätte vor Anpfiff offiziell verabschiedet wurde.
Diese Passivität der Gäste wurde bestraft. Bei einer Flanke von Diogo Leite verschätzte sich Torwart Tobias Sippel und Behrens köpfte ein. Union drückte weiter, der vermeintliche Siegtreffer von Trimmel wurde wegen einer Abseitsposition vom Videoassistenten einkassiert. So etwas kann eine Mannschaft demoralisieren, aber nicht den aktuellen 1. FC Union. Mit der allerletzten Aktion köpfte Doekhi die Berliner doch noch zum letztlich verdienten Sieg. „Das war eine brutale Willensleistung“, sagt Khedira.
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