Wenn ein Titel wichtiger ist als Anschuldigungen wegen sexuellen Missbrauchs

Elf Jahre hat es gedauert, bis Kyle Beach eine Entschuldigung von dem Klub bekam, bei dem er nach seiner Aussage die schlimmste Zeit seines Lebens erfahren hat. Seine Anschuldigung wegen sexuellen Missbrauchs durch einen Assistenztrainer stand seit 2010 im Raum, nun klagt der kanadische Eishockeyprofi nicht mehr anonym, sondern mit seinem Namen.

Seine Geschichte ist ungeheuerlich, die Details der Vergewaltigungen, die er erleiden musste, sind für jeden im Internet nachzulesen. Sie sind nicht auszuhalten. Auch nicht auszuhalten ist, mit welcher Vertuschungstaktik hier von einer großen Organisation wie den Chicago Blackhawks aus der National Hockey-League (NHL) versucht wurde, ein Verbrechen auszusitzen. Angeblich soll ein Verantwortlicher damals gesagt haben, der Gewinn der Meisterschaft sei wichtiger als die Anschuldigungen des sexuellen Missbrauchs.

In der nun veröffentlichten Entschuldigung der Chicago Blackhawks für die „Verzögerung“ im Fall findet sich der Satz, dass „kein Play-off-Spiel oder eine Meisterschaft wichtiger sei“ als der Schutz der Spieler und Mitarbeitern vor Übergriffen.

Kyle Beach galt einst als großes Talent, er wurde im sogenannten Draft der NHL von den Blackhawks an elfter Stelle gezogen, gehörte damals zum erweiterten Kader des späteren Meisterteams, bestritt aber kein einziges NHL-Spiel.

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Heute, im besten Eishockeyalter, spielt er mit 31 Jahren für den deutschen Drittligisten Black Dragons Erfurt. Er ist in seinem Sport nie dort angekommen, wo er hätte ankommen können mit seinem Talent. Europa ist wohl auch eine Flucht aus der Heimat und vor der Brutalität gegen ihn, die er mit Drogen und Alkohol nicht habe bekämpfen können, sagt er. Der Missbrauch an ihm habe „definitiv Auswirkungen auf sein Leben gehabt“, es habe ihn „von innen zerstört“. Nun bekommt er Recht und sagt, „dass sein Heilungsprozess beginnen“ könne.

Es ist die Geschichte eines kollektiven Versagens, die Spielergewerkschaft der Liga und ihre Ärzte, die informiert waren, handelten nicht. Mitspieler wussten es und der Klub handelt erst jetzt. Offensichtlich hat das mit dem Schweigekonsens in der NHL funktioniert, in einer Sportart, die in Nordamerika noch viel mehr mit altbackenen Männlichkeitsbildern und harten Kerlen öffentlich operiert als in Europa.

Insofern ist Kyle Beach nicht genug dafür zu danken, dass er nicht locker gelassen hat und damit die Sensibilität für das Thema Missbrauch im Profisport allgemein erhöht hat. Kyle Beach hat gesagt, dass so etwas wieder passieren wird, „im Eishockey, im Fußball, in jeder Sportart“.