Plötzlich Stammspieler bei Hertha BSC: Florian Niederlechner hilft in der Not
Florian Niederlechner wischte sich mit den Fingern über den Oberkörper; gerade so, als müsste er imaginären Schmutz von seinem Trikot entfernen. „Es ist einfach viel abgefallen“, sagte der Offensivspieler von Hertha BSC. „Das war schon eine Erlösung.“
Knapp zwei Wochen ist das her. Der Berliner Fußball-Zweitligist spielte im eigenen Stadion gegen den Karlsruher SC, und kurz vor der Pause war Niederlechner der Treffer zum zwischenzeitlichen 2:1 gelungen. Es war sein erstes Tor in dieser Saison – und überhaupt erst sein zweites, nachdem er in der Winterpause vor knapp einem Jahr vom FC Augsburg zu Hertha gewechselt war.
So groß, wie die Erwartungen an Niederlechner im Winter gewesen waren, so groß war die Enttäuschung. Auf beiden Seiten. Hertha stieg ab, Niederlechner erwies sich nicht als die erwünschte Verstärkung für die Offensive. „Es war einfach nicht so, wie ich’s mir vorgestellt habe“, sagt er. „Ich bin schon mit größeren Erwartungen aus Augsburg gekommen. Meine Zeit war persönlich nicht die beste, was Tore und Vorlagen angeht.“
Auf drei Torbeteiligungen (zwei Treffer, eine Vorlage) kommt der 33-Jährige in bisher 27 Pflichtspieleinsätzen für Hertha BSC. Und obwohl er nach dem Abstieg einer der Ersten war, der sich zum Bleiben bereit erklärt hat, um den Unfall wieder zu reparieren, hat Niederlechner auch in der Zweiten Liga lange keine besondere Rolle gespielt. An den ersten beiden Spieltagen stand er noch in der Startelf, danach aber musste er fast drei Monate warten, bis Trainer Pal Dardai ihn im Pokalspiel gegen Mainz erstmals wieder von Anfang an aufbot.
Niederlechner hat trotzdem nicht gemosert – auch weil er nicht zum ersten Mal eine solche Situation erlebt hat. Vor einem Jahr, damals noch in Augsburg, sei es ähnlich gewesen, erzählt er. Auch da sei er ruhig geblieben, habe gut trainiert, immer alles gegeben – und dann irgendwann wieder gespielt.
So ist es jetzt auch in Berlin, obwohl Niederlechner nicht nur von seinem Eifer profitiert hat, sondern auch von der angespannten Personalsituation im Herthas Kader. Weil gleich mehrere potenzielle Kandidaten (Ibrahim Maza, Palko und Bence Dardai) ausfallen, fehlt Trainer Pal Dardai ein offensiver Mittelfeldspieler mit Spielmacherqualitäten. „Auch im Nachwuchs haben wir diesen Spielertyp nicht“, sagte er. „Wir haben ein Problem, das müssen wir lösen.“
Eine Zeitlang schien Smail Prevljak die Lösung zu sein. Der Bosnier erzielte zwar einige Tore, war für Dardais Geschmack im Zentrum aber nicht präsent genug, weil es ihn als gelernten Mittelstürmer zu sehr in die Spitze zog. „Er funktioniert in der Position auch nicht“, sagte der Ungar.
Zuletzt im Testspiel gegen den Regionalligisten Altglienicke stellte Dardai versuchsweise das System um, ließ mit Bilal Hussein und Michal Karbownik zwei Achter auf den Halbpositionen spielen. Aber auch diese Variante hat Herthas Trainer nicht überzeugt, zumindest nicht in dieser Besetzung.
Er beißt, er kämpft, er geht in die Tiefe.
Herthas Trainer Pal Dardai über Florian Niederlechner
Letztlich befand er die beiden Kandidaten, die sich seit ihrem Wechsel im Sommer noch nicht nachdrücklich haben empfehlen können, für zu leicht. Die Darbietung des Schweden Hussein nannte Dardai „ein bisschen zäh“. Bei Karbownik hat ihm „Zweikampfverhalten, Effektivität, Konzentration“ gefehlt. „Er hat mich jetzt nicht so überzeugt, dass ich mir über ihn als Achter große Gedanken machen muss“, sagt Herthas Trainer. „Das müssen wir noch ein bisschen trainieren.“
Wenn die Berliner an diesem Freitag (18.30 Uhr, live bei Sky) bei Hannover 96 antreten, wird daher wohl wieder Florian Niederlechner den Platz hinter Stoßstürmer Haris Tabakovic einnehmen. Einen Grund, ihn aus der Mannschaft zu nehmen, gibt es jedenfalls nicht. Findet auch Niederlechner selbst: „Wenn ich weiter Tore mache und vorbereite, wird es schwierig, mich aus der Mannschaft zu verdrängen. Alles andere – laufen, ackern – mach ich sowieso.“
Auch Niederlechner ist kein klassischer Zehner, sondern eher eine hängende Spitze. Aber: „Er beißt, er kämpft, er geht in die Tiefe“, sagt Pal Dardai. Niederlechner kennt die Rolle aus Freiburg und Augsburg, er nennt sie sogar „meine absolute Lieblingsposition“. Sich vorne, hinter dem Wandspieler Tabakovic oder um ihn herum, frei zu bewegen, „das lieb ich einfach“.
Im Pokalspiel gegen Mainz durfte Niederlechner erstmals auf dieser Position ran. Hertha besiegte den Erstligisten deutlich mit 3:0, und Niederlechner bereitete ein Tor vor. „Das war der entscheidende Push“, sagt er. „Jeder weiß ja, wie Stürmer ticken.“ Seitdem stand Florian Niederlechner jedes Mal in der Startelf, und satt ist er noch lange nicht: „Ich stehe bei Hertha schon noch ein bisschen in der Schuld.“