Olympiasiegerin Funk schickt „ganz viel Liebe“ in die Hochwasserregion
Erst kämpfte sich Ricarda Funk durch den Wildwasserkanal von Tokio, wenig später mit den Tränen. Während sie bei der olympischen Entscheidung der Kajak-Fahrerinnen im Kanu-Slalom erfolgreich blieb, hatte sie gegen die sie überkommenen Gefühle nach dem größten Erfolg ihrer Karriere letztlich keine Chance. „Eine Goldmedaille, davon habe ich einfach schon immer geträumt. Und jetzt ist dieser Traum Realität geworden“, sagte die 29 Jahre alte Funk nach ihrer Fahrt zum Olympiasieg.
In der Stunde des Triumphes waren es aber nicht nur Freudentränen, die ihr über das Gesicht liefen. Funk erinnerte auch an den früheren Bundestrainer Steffen Henze, der bei Olympia in Rio mit dem Auto tödlich verunglückt war. „Der ist ganz tief im Herzen und er ist überall mitgefahren, auf der ganzen Reise, bei jedem Wettkampf und bei jedem Training. Er gibt mir immer noch Tipps“, sagte sie nach dem Rennen.
Wahrscheinlich auch den, dass es sich immer lohnt, an sich zu glauben. Die Rio-Spiele hatte sie seinerzeit noch verpasst, diesmal hatte sie die Qualifikation schon frühzeitig in der Tasche und war bestens vorbereitet auf den Wettkampf in Tokio. Im Finallauf hielten dann auch die Nerven: „Ich habe mir für heute vorgenommen, mein Ding hier runterzufahren, unabhängig davon, was die anderen machen“, sagte sie. Nicht einmal auf den Streckensprecher hätte sie gehört, was ihr sonst zuweilen schwer gefallen sei. Als nach ihr die Konkurrenz patzte und der Sieg feststand, hielt sich Funk die Hände vor das Gesicht und murmelte: „Ich kann das einfach nicht glauben!“
Mit nur 53 Kilogramm ist sie eine der leichtesten Kanu-Slalom-Fahrerinnen, trotzdem pflügte sie sich gleichermaßen kraftvoll, elegant und vor allem fehlerfrei durch die Stangen. Dabei sehen die Fahrten im Wildwasser von außen ziemlich gefährlich aus. „Angst darf man keine haben. Man muss einfach Gas geben und bei der Sache bleiben“, sagte Funk. In ihrer Kindheit hatte sie auch sehr gern getanzt, ehe sie sich als Sechsjährige für den Wassersport entschied und nun den maximal möglichen Erfolg erreichte.
Ihre Sinziger Heimstrecke wurde vom Hochwasser zerstört
Die Kunde von der ersten deutschen Olympia-Goldmedaille war anschließend auch schnell in ihre Heimregion vorgedrungen. Rund um ihre Geburtsstadt Bad Neuenahr haben die Menschen derzeit mit den Folgen der Hochwasserkatastrophe zu kämpfen.
In Sinzig an der Ahr, wo Funk aufs Gymnasium gegangen war und die ersten Paddelschläge auf der nun zerstörten Naturstrecke gemacht hatte, reagierte man emotional auf die Nachricht aus Tokio. „Das ist ein toller Erfolg und es ist natürlich ein Zeichen, dass wir in der Region nach vorne schauen müssen“, sagte Bürgermeister Andreas Geron am Telefon und klang dabei gerührt. Zwei Wochen ist es her, dass die Ahr seine Stadt zweigeteilt und zerstört hat, auch sein Haus wurde überflutet. Brücken wurden weggespült, die Kläranlage ist kaputt, Trinkwasser fehlt, die Stromverbindung ist wackelig. In einem Haus der Lebenshilfe starben zwölf Menschen mit geistiger Behinderung, die von der Flut überrascht wurden.
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„Die Region sehnt sich nach guten Meldungen“, sagte Geron. Er selbst sei ein großer Sportfan, habe von Olympia aber noch keine Sekunde gesehen. Die Nachricht von Funks Olympiasieg habe er via SMS von einem Journalisten erhalten. Er habe in einer Krisensitzung gesessen, der Wiederaufbau werde wohl noch Jahre dauern. Trotzdem würde er sich über eine kleine Feier für die Olympiasiegerin irgendwann in der Zukunft freuen. „Wir haben jetzt ganz viele andere Dinge zu erledigen, aber irgendwann wäre es toll, sie mit ihrer Goldmedaille zu empfangen“, sagte er.
Was zuletzt daheim passiert ist, hat natürlich auch Ricarda Funk mitbekommen. „Es war einfach nur schrecklich, die Bilder zu sehen, die mich ständig erreicht haben. Ich schicke ganz viel Liebe nach Hause und sage nur: Kreis Ahrweiler ist stark und gemeinsam schaffen wir das“, sagte sie – und hatte erneut Tränen in den Augen.