Nicolas Cage wird 60: „Es geht nichts über die Erfahrung, ein altes Comic-Heft zu lesen“
Er hat die Hauptrolle in zahlreichen Comicverfilmungen gespielt, darunter „Ghost Rider“, „Kick-Ass“ und „The Flash“. Und er ist selbst seit Kindertagen ein großer Comicfan, was auch dazu geführt hat, dass er seinen Künstlername von einem Comic-Helden entliehen hat. 2012 hat der Tagesspiegel Nicolas Cage in Berlin zum Interview getroffen und mit ihm über seine Leidenschaft für die sequenzielle Kunst gesprochen. Zu seinem 60. Geburtstag veröffentlichen wir hier eine leicht überarbeitete Fassung des Gesprächs.
Tagesspiegel: Mister Cage, wir haben Ihnen hier etwas mitgebracht.
Cage: Wow, ein Nachdruck der ersten Ausgabe von „Action Comics“.
Das erste Superman-Heft der Geschichte …
Der heilige Gral der Comicwelt.
Sie sind einer der wenigen Menschen, die in der jüngeren Vergangenheit eine der seltenen Originalausgaben dieses Heftes aus dem Jahr 1938 besessen haben.
Erinnern Sie mich nicht daran!
Sie verziehen das Gesicht.
Das ruft sehr schmerzhafte Erinnerungen wach, weil es mir gestohlen wurde, ebenso wie eine Originalausgabe von „Detective Comics“ Nummer 27, der erste Auftritt von Batman, sowie viele andere seltene Comics.
Aber ist der Einbruch nicht inzwischen zehn Jahre her?
Ja, aber das war so verstörend, dass es mich bis heute beschäftigt. Danach verkaufte ich einen Großteil meiner Comicsammlung. Ich wollte solche Werte nicht mehr in meinem Haus haben.
Wie fühlte es sich an, so ein Heft wie dieses als Original in den Händen zu haben?
Großartig. Es war das erste Mal, dass das Konzept eines bunten Superhelden auf diese Weise umgesetzt wurde. Zwei bis dahin unbekannte junge Männer erfanden diese Figur des Übermenschen und veränderten damit die Welt. Ohne dieses Heft wäre die Welt eine andere.
Inwiefern?
Es ist der Ausgangspunkt einer modernen Mythologie, an der die Menschen bis heute rund um die Welt festhalten. Schauen Sie sich an, was in den vergangenen Jahren im Kino passiert ist: All die wunderbaren Geschichten um Batman, Superman oder Spider-Man, die vor Jahrzehnten geschaffen wurden, sind in den vergangenen Jahren auf die Leinwand gebracht worden, weil man die Technologie entwickelt hatte, um die Fantasien von damals visuell ansprechend umzusetzen. Das Ergebnis sind einige der besten Unterhaltungsfilme der Gegenwart. Und dieses Heft hier vor uns auf dem Tisch war der Anfang von all dem.
Viele Comicsammler schweißen ja ihre wertvollen Hefte in Plastik ein und lesen sie nie, damit sie ihren Wert nicht verlieren. Haben Sie das auch so gemacht?
Nein, ich habe sie gelesen. Und es war wunderbar. Es geht nichts über die Erfahrung, ein altes Comic-Heft zu lesen. Du fühlst jede Faser des Papiers, du riechst es, du siehst die Farben. Das bringt dich zurück in jene fernen Zeiten. So ein Heft hat für mich eine magische Aura.
Woher kommt diese Wirkung von Comics?
Es ist ein Medium, das sich intuitiv erschließt. Ich habe meine ersten Comics verschlungen, als ich noch gar nicht lesen konnte. Ich habe mit ihnen Lesen gelernt. In dem Alter ist man sehr empfänglich für die Reize des Mediums – und wenn man Glück hat, bewahrt man sich die Faszination bis ins Alter. Es ist das Kind in mir, das sich angesprochen fühlt, wenn ich heute ein Comic-Heft in die Hand nehme.
Vergangenes Jahr wurde eine fast perfekte Ausgabe von „Action Comics“ Nummer eins bei einer Auktion für 2,1 Millionen Dollar verkauft – der höchste Preis, der je für ein Comic-Heft bezahlt wurde. Es soll sich um das einst bei Ihnen gestohlene Heft handeln, das auf mysteriöse Wiese wieder bei Ihnen gelandet sein soll. Stimmt das?
Das ist eine der Geschichten, die am besten ein Rätsel bleiben.
Es hieß, ein Unbekannter habe den Inhalt eines Schließfaches ersteigert, in dem sich dann Ihr Superman-Heft befand, welches er anschließend versteigerte. Andere Quellen behaupten, das Heft sei Ihnen nach seinem Wiederauffinden zurückgegeben worden und Sie hätten es dann versteigert …
Nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich mag das Mysterium, das diese Geschichte umgibt. So soll es auch bleiben.
Ist das Sammeln von Comics eigentlich vergleichbar mit anderen Sammelleidenschaften?
Grundsätzlich ist es wohl bei fast jedem ernsthaften Sammler so, dass er etwas berührt, das für seine Kindheit von großer Bedeutung war. Es ist der Versuch, einen Teil seiner Jugend zurückzuholen und die Zeit zu konservieren. Aber wie gesagt: In den vergangenen Jahren habe ich es weitgehend aufgegeben, Dinge zu sammeln. Nach dem Diebstahl ist mir die Lust daran vergangen. Nur manchmal, wenn ich morgens aufwache, denke ich: Ich sammele Staub an. (lacht)
Sie haben niemals Baseball-Bälle gesammelt, wie es in den USA populär ist?
Nein, aber ich verstehe, was solche Sammler antreibt. Weil es bei mir und den Comics genauso war. Wenn man einen Baseball aus einem ganz bestimmten Spiel in seiner Sammlung hat und ihn in die Hand nimmt, dann ist man in Gedanken in jenem einzigartigen Moment auf dem Spielfeld, als der berühmte Home Run stattfand. Und wenn man, wie ich für einige Jahre, „Action Comics“ Nummer eins besitzt, dann sitz man in Gedanken mit den Superman-Erfindern Siegel und Shuster zusammen in ihrem kleinen Atelier und nimmt Teil an einem außergewöhnlichen Ereignis in der Geschichte, das die Welt verändert hat.
Sie kamen 1964 zur Welt, in Ihrer Generation galten Comics als Schundliteratur. Missfiel Ihren Eltern Ihre Leidenschaft?
Das war nie ein Problem bei uns. Ich verbrachte in meiner Jugend sehr viel Zeit mit Comics. Ich erinnere mich noch, wie ich stundenlang auf das Titelbild eines Ghost-Rider-Comics starrte und dessen Wirkung einsog. Mich sprach die düstere Gestalt mit einem brennenden Totenschädel anstelle des Kopfes unmittelbar an.
Ihren jüngsten Sohn haben Sie Kal-El genannt – Supermans Geburtsname. Wird er dafür in der Schule nicht gehänselt?
Nein, es ist ja auch nicht ein so ungewöhnlicher Name. Er klingt ja eher wie Cal, also ganz normal. Das ist für mich auch eine Wertschätzung meiner Vergangenheit. Ich bleibe meinen Wurzeln treu.
Ist sich Ihr Sohn dieses Erbes bewusst?
Ja. Wie jeden normale Sechsjährige fasziniert ihn die Welt der Superhelden. Und dazu gehört auch Superman. Auch wenn er wie gesagt in letzter Zeit mehr zu Green Lantern und dem Hulk neigt – Figuren die auch für mich als Kind sehr wichtig waren. Helden wie der Ghost Rider oder auch der Hulk waren für mich eine Art Alter Ego, sie halfen mir dabei, aufzuwachsen und meine eigene Stärke zu entwickeln. Sie sahen zwar furchterregend aus, aber sie waren zugleich gut. Ich glaube, diese Comics halfen mir dabei, meine Albträume zu kontrollieren.
An Ihrer Comicleidenschaft liegt es wohl auch, dass Sie sich einst von ihrem Geburtsnamen Coppola trennten.
Ja, meinen Nachnamen habe ich mir von dem ersten schwarzen Superhelden aus den 1970er Jahren geliehen, Luke Cage.
Wie es heißt, wollten Sie zu Beginn Ihrer Schauspielkarriere den Eindruck vermeiden, als Neffe von Francis Ford Coppola so einen berühmten Namen als Eintrittskarte zu benutzen.
Ja, und ich fand, Cage klang einfach stark.
Wir haben hier ein paar alte Luke-Cage-Comics für Sie mitgebracht.
Wow, danke. Aber ob Sie es glauben oder nicht: Dieses Comics kannte ich damals kaum. Ich suchte einfach nach etwas, das einfach und einzigartig klang. Und Nicolas Cage klingt doch cool, oder?