Nachruf auf Burt Bacharach: Die Kunst, das Schwierige ganz leicht klingen zu lassen
Kennen Sie den Weg nach San José? Ahnen Sie, was die Welt jetzt dringend braucht? Und wissen Sie, was zu tun ist, wenn Sie Ihrer Exliebe auf der Straße begegnen und Ihnen die Tränen in die Augen schießen? Genau: schnell weitergehen.
Die Hits „Do You Know the Way to San José?“, „What the World Needs Now“ und „Walk On By“, die Burt Bacharach für die Soulsängerin Dionne Warwick schrieb, zählen zu den herzerwärmendsten, traurigschönsten und größten Liedern der Popgeschichte.
Die Lyrics dazu lieferte der kongeniale Texter Hal David. Gebettet in samtige Orchesterarrangements verströmen diese Drei- bis Fünfminuten-Symphonien eine Euphorie, die immer schon von Melancholie durchtränkt ist. Weil alles im Leben irgendwann enden muss, selbst die Liebe.
Zusammen mit Cole Porter, George Gershwin und den Beatles-Anführern Lennon/McCartney gehörte Burt Bacharach zu den erfolgreichsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Seine Evergreens wie „Raindrops Keep Fallin’ on My Head“, „This Guy’s In Love With You“ oder „Wishin’ and Hopin’“ wurden von Dutzenden Interpreten aufgenommen.
Nebenbei erhielt Bacharach drei Oscars für seine Soundtracks zu dem Western „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ und der Komödie „Arthur“. Auf die Frage, wie man einen Hit schreibt, hat er trotzdem geantwortet: „Keine Ahnung.“ Um dann hinterherzuschieben, dass es darauf ankomme zu improvisieren, sich treiben zu lassen, Dinge auszuprobieren. „Bis plötzlich eine Melodie da ist, die einen nicht mehr loslässt.“ Das Schwierige ganz leicht und elegant klingen zu lassen, das war eine Kunst, die er beherrschte.
Bacharach, der 1928 in Kansas City zur Welt kam und in New York aufwuchs, hatte klassische Musik an einem Konservatorium studiert, bevor der Besuch eines Dizzy-Gillespie-Konzertes ihn zum Jazz bekehrte. Mit 28 Jahren wurde er von Marlene Dietrich als Pianist und Bandleader engagiert und tourte mit ihr durch die Welt. Ihre Beziehung, betonte er später, sei allen Gerüchten zum Trotz eine rein musikalische geblieben. „Sie konnte ein richtiges Biest sein, wenn ihr etwas nicht gefiel“, erinnerte er sich in einem Interview. „Doch wenn ich sagte: Marlene, das Tempo stimmt nicht, du singst zu langsam, dann hörte sie zu, als spräche Gott.“
Die Sechziger- und frühen Siebzigerjahren, in denen Burt Bacharach zusammen mit Hal David mehr als hundert Songs erschuf, waren die Zeit seiner größten Triumphe. Allein von den Platten, die sie mit Dionne Warwick produzierten, wurden über 12 Millionen Exemplare verkauft.
Bacharachs Musik bekam zwar das Easy-Listening-Etikett aufgeklebt, wurde aber wegen ihrer kompositorischen Finessen auch von Jazzmusikern wie Cal Tjader, Grant Green oder Wes Montgomery gecovert. Als der Saxofonist Stan Getz ein ganzes Album mit seinen Stücken beim Verve-Label veröffentlichte, empfand Bacharach das als künstlerischen Ritterschlag.
Das „Newsweek“-Magazin feierte den Komponisten in einer Coverstory als „The Music Man 1970“, in einem amerikaweit ausgestrahlten TV-Special huldigten ihm Barbra Streisand, Tom Jones und der Tänzer Rudolf Nurejew. Doch als das Fantasy-Musical „Lost Horizon“, für den sie die Filmmusik geliefert hatten, zum finanziellen Desaster geriet, zerstritten sich Bacharach und David.
Es folgten juristische Auseinandersetzungen und das vorläufige Ende der Zusammenarbeit mit Warwick. Die Renaissance des Komponisten begann, als sich die Britpopband Oasis 1994 auf dem Cover ihres Debütalbums „Definitely Maybe“ mit einem Poster von ihm zeigte. Bald darauf glitt Bacharach in der Agentenkomödie „Austin Powers“ im offenen Wagen durch Las Vegas und spielte dazu seinen Hit „What the World Needs Now“.
Am Mittwoch ist Burt Bacharach mit 94 Jahren in Los Angeles gestorben. Die ganze Welt pfeift heute seinen Song „I Say a Little Prayer“ für ihn.
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