Mörderischer Wettlauf durch Berlin

2006 veröffentlichte Sebastian Fitzek seinen ersten Spannungsroman. Inzwischen hat der 1971 geborene Berliner mehr als 20 Thriller geschrieben und einen festen Platz an der Spitze der Bestsellerliste.

Buntes Berlin: Eine weitere Szene aus „Der Augensammler“.Foto: Splitter

Seine verkaufte Gesamtauflage soll alleine in Deutschland mehr als zehn Millionen Bücher betragen, außerdem werden seine Werke in zwei Dutzend Sprachen übersetzt. Auch eine Handvoll Fitzek-Verfilmungen gibt es bereits.

Und jetzt kommen noch Comics dazu. Denn der Bielefelder Splitter-Verlag, der längst nicht mehr nur mit Lizenztiteln aus Frankreich assoziiert werden kann, hat mit Frank Schmolkes Comicfassung von Fitzeks Roman „Der Augensammler“ (200 S., 35 €) die bisher „aufwendigste und teuerste Eigenproduktion“ der Verlagsgeschichte in Auftrag gegeben, wie Splitter-Pressesprecher Maximilian Schlegel sagt.

Der grundlegende Gedanke dahinter ist relativ simpel: Ein Comic nach einem Roman von Sebastian Fitzek dürfte höchstwahrscheinlich viele Lesende anziehen – auch solche, die vorher noch nie grafische Literatur mit Panels und Sprechblasen gesucht, geschweige denn gesammelt haben.

Adaptionen zu populären Stoffen sind oft erfolgreicher als eigenständige Geschichten. Das kann man finden, wie man mag, es ändert nichts an den ökonomischen Erfahrungen und Begebenheiten. Mit „Der Augensammler“ adaptiert Frank Schmolke daher nun gleich einen der bekanntesten Romane von Bestsellerautor Fitzek, der ursprünglich 2010 erschienen ist. Letztlich das Buch, dessen Titel einem sofort in den Sinn schießt, sobald man den Namen Sebastian Fitzek hört oder liest.

Freaks und Familie

Frank Schmolke, 1967 in München geboren, kam durch seine Adaption des deutschen Superheldenfilms „Freaks“ auf den Radar von Splitter. Schmolkes bemerkenswert freie Comicinterpretation des Netflix-Streifens und seine unabhängige Graphic Novel „Nachts im Paradies“ machten ihn zum Wunschkandidaten des Verlags.

Berlin Noir: Eine weitere Seite aus dem besprochenen Buch.Foto: Splitter

Allerdings war Schmolke anfangs nicht allzu versessen auf die Aussicht, ein Jahr lang ein fremdes Werk zu beackern, bei dessen Umsetzung ihm sowohl der Erfolgsromancier als auch dessen Agentur genau auf die Finger schauen würden. Doch Schmolkes Tochter entpuppte sich als großer Fitzek-Fan, und so entschied sich der Künstler, den Roman in Comicform zu überführen.

Obwohl Schmolke erneut einen eigenen Zugang zur Story findet, dreht die sich natürlich immer noch um den in Ungnade gefallenen Berliner Polizisten Alexander Zorbach, der inzwischen als Reporter für die Boulevardpresse arbeitet.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Zorbach, bis hin zum Hut ein tragischer Antiheld und Schnüffler im Stile des klassischen Hardboiled-Krimis, wird in die Jagd auf den Augensammler verstrickt: einen Serienmörder, der erst die Mutter tötet und dann deren Kinder entführt – eine Stoppuhr am Tatort zeigt Angehörigen und Ermittlern an, wie lange sie Zeit haben, um die Kids zu finden, bevor der Killer sie ebenfalls umbringen wird.

Zorbach kommt der Sache zu nahe, und plötzlich wird er für die alten Kollegen von der Persona non grata zum Hauptverdächtigen. Von allen verfolgt und von seinen eigenen Erinnerungen in Stich gelassen, scheint sich Zorbach einzig auf die blinde Alina und ihre Visionen verlassen zu können …

Fortsetzung möglich

Frank Schmolkes Ansatz ändert nichts daran, dass es sich bei „Der Augensammler“ um eine reißerische, teils arg überzogene Geschichte handelt. Doch Schmolkes Adaption, vor allem natürlich seine expressionistischen, genre-geeichten Zeichnungen, werten das Ganze auf und maximieren die Hardboiled-Stimmung im winterlichen Berliner Setting.

Das Titelbild des besprochenen Bandes.Foto: Splitter

Schmolke zitiert sich mit seinem Strich und seinen Einstellungen munter durch Film und Comic noir, zudem nutzt er Licht und Schatten so effektiv wie die multimedialen Vorbilder. Farbe hat in seiner Herangehensweise eine besondere Wichtigkeit. Man merkt den stark inszenierten Seiten an, dass der Münchner Künstler in das Zeichnen und Kolorieren acht Monate investiert hat, teilweise zwölf Stunden am Tag und sieben Tage die Woche.

Bestsellergarant Sebastian Fitzek, der 2020 eine Anthologie mit Quarantäne-Kurzkrimis von bekannten und neuen Schreibenden herausgegeben hat, ist von Schmolkes Version seines Romans angetan. Im Vorwort zum Comic schwärmt Fitzek, dass der Band keine herkömmliche Adaption darstelle, sondern ein komplexes eigenständiges Werk sei, das nicht nur Fitzek-Fans gefallen dürfte.

Entsprechend fassen alle Beteiligten bereits ins Auge, als nächstes die durch Cliffhanger befeuerte Fortsetzung „Der Augenjäger“ bei Splitter zu adaptieren, sollte sich der erste Comic-Fitzek – wie zu erwarten – gut genug verkaufen.