Körper sind Landschaften

Raimund Hoghe hat zuerst als Journalist gearbeitet, er schrieb Porträts von Außenseitern und Berühmtheiten, wurde bald jedoch zu einem der wichtigsten Protagonisten der deutschen Tanzszene. In den 1980er Jahren arbeitete er als Dramaturg für Pina Bausch und das Wuppertaler Tanztheater, war Choreograf, Tänzer, Filmemacher und Autor. Sein erstes Solo choreografierte er 1994, unter dem Titel „Meinwärts“, für sich selbst als Tänzer.

Mit seiner Rückgratverkrümmung entsprach Raimund Hoghe nicht dem Bild, das man sich gemeinhin von einem Tänzer macht. „Für mich sind Körper wie Landschaften, und so, wie es verschiedene Landschaften gibt, gibt es auch verschiedene Körper – und alle haben ihre Berechtigung“, schrieb er.

Seine Stücke, die auch in Berlin gezeigt wurden, waren eine Huldigung an die besonderen Körper; auf zärtliche und melancholische Weise nahm er den Menschen und seine Geschichte mit ihren Brüchen in den Blick.
Auch Musik spielte in seinen Arbeiten eine wichtige Rolle, sie kreisen um Erinnerung, Vergänglichkeit und die Sehnsucht nach einem anderen Leben.

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Hoghe war immer auch ein sozial engagierter Künstler; in seinen Stücken befasste er sich etwa mit dem Umgang mit Geflüchteten, wie in „Letters from Vietnam“ von 2020. Sein jüngstes Solo, in dem er der eigenen Biografie nachgehen und zugleich die Zeitgeschichte reflektieren wollte, musste coronabedingt abgesagt werden.

Raimund Hoghe hat immer Menschenporträts entworfen, ob als Journalist oder als Tänzer

Journalist und Choreograf – das waren für Hoghe keine völlig verschiedenen Jobs. Er habe im Grunde immer Porträts von Menschen entworfen, zuerst mit Worten, dann mittels des Körpers. In Deutschland hat es länger gedauert, bis Raimund Hoghe als Choreograf die verdiente Anerkennung erhielt. In Frankreich wird er regelrecht verehrt, 2019 wurde er zum „L’Officier de l’Ordre des Arts et des Lettres“ ernannt. 2020 erhielt er den Deutschen Tanzpreis.

„Ich mache einfach das, was ich tun muss“, sagte Raimund Hoghe. Sein Körper, der nicht der Norm entsprach, sei stellvertretend da für andere Körper, die nicht vorkommen. Am Freitag ist Raimund Hoghe im Alter von 72 Jahren gestorben. Er war eine Ausnahmeerscheinung in der deutschen Tanzszene.