Hertha BSC ist trotz allem zuversichtlich
Fredi Bobic hat am Freitagmorgen kurz darüber nachgedacht, ob es sich wohl überhaupt noch lohnen würde, zur Arbeit zu fahren. Er hat jedenfalls schon mit dem Schlimmsten gerechnet. Etwa damit, dass in der Nacht ein Komet auf Berlin herabgefallen und natürlich genau auf der Geschäftsstelle von Hertha BSC gelandet ist.
Dass Herthas Mitarbeiter mit Bobic als Geschäftsführer Sport an der Spitze gerade einen Hang zum Fatalismus entwickeln, das wird man ihnen nur schwer vorwerfen können. In dieser von Problemen durchzogenen Saison ist es einfach so, „dass wir vieles mitkriegen“, sagt Bobic am Freitagmittag. In den Stunden zuvor hat er einige Nachrichten empfangen, viele mit dem gleichen Tenor: Was kommt noch alles bei euch?
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Verletzungen, Erkrankungen, innerbetriebliche Streitigkeiten, zuzüglich zur normalen sportlichen Krise natürlich: Es gibt wenig, was Hertha in dieser Spielzeit ausgelassen hat. Am Donnerstag bekam Bobic einen Anruf von Felix Magath, dem gerade erst engagierten Cheftrainer. Magath fühlte sich nicht gut und hatte den Verdacht, dass er sich mit dem Coronavirus infiziert haben könnte. Dieser Verdacht hat sich kurz darauf bestätigt. „Ich dachte zuerst, er macht einen Scherz“, berichtet Bobic. „Aber das war kein Witz.“
Bei Hertha fühlen sie sich tatsächlich so, als wollte sich jemand einen üblen Scherz mit ihnen erlauben. Am vergangenen Samstag ist die Mannschaft auf den vorletzten Tabellenplatz abgestürzt; am Sonntag wurde Trainer Tayfun Korkut entlassen, am Montag für die letzten acht Spiele der Saison der 68 Jahre alte Routinier Felix Magath als dessen Nachfolger präsentiert.
So was wie Aufbruchstimmung im Abstiegskampf sollte das noch einmal entfachen. Doch nur drei Tage und drei Trainingseinheiten später hat sich herausgestellt, dass aus acht Spielen an der Seitenlinie höchstens sieben werden. Wenn Hertha an diesem Samstag im Olympiastadion den Champions-League-Anwärter TSG Hoffenheim empfängt (15.30 Uhr, live bei Sky), wird Magath nicht wie geplant an der Seitenlinie sitzen, sondern in seinem Hotelzimmer vor dem Fernseher.
Warum sollte Mark Fotheringham nervös sein?
„Willst du Corona haben, komm nach Berlin!“, ätzt Bobic. Dass er am Freitag im Medienraum des Berliner Fußball-Bundesligisten trotzdem ein Lächeln auf dem Gesicht trägt, liegt weniger an einem Anflug von Sarkasmus; das liegt vor allem an seinem Nebenmann auf dem Podium. „Ich bin ein stolzer Schotte. Ich bin überzeugt, wir schaffen das“, sagt Mark Fotheringham, der seinen Chef Felix Magath nicht nur bei der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Hoffenheim vertritt. Der 38-Jährige wird auch am Samstagnachmittag im Olympiastadion auf der Trainerbank sitzen.
„Es ist keine leichte Situation“, gibt Magaths Co-Trainer zu. Doch auf die Frage, ob er denn wohl nervös sein werde, fragt Fotheringham zurück: „Warum nervös? Das ist mein Leben. Für diese Chance habe ich richtig hart gearbeitet.“ Dass der Schotte, Bürstenhaarschnitt, kompakte Figur, nur so sprüht vor Energie, das war auch schon unter der Woche im Training zu sehen, das Magath vornehmlich in seine Hände gelegt hat. „Unser Ziel war es, dass wir alles in höherer Intensität machen“, sagt Fotheringham. „Die Jungs haben gut trainiert.“
Abgesehen von den Rekonvaleszenten Rune Jarstein und Kelian Nsona stehen ihm alle Spieler zur Verfügung, offenbar auch Stevan Jovetic, der zu Wochenbeginn wie schon häufiger in dieser Saison nur gelaufen ist. „Alle haben’s überlebt“, sagt Fredi Bobic mit Blick auf die die erhöhte Intensität im Training, die bei Felix Magath eine Art Markenkern ist.
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„Man hat gesehen, dass die Spieler sehr aufmerksam, sehr angefixt waren“, berichtet Herthas Sportchef. Diese Emotionalität müsse die Mannschaft auch gegen Hoffenheim auf den Platz bringen, vielleicht sogar eine Jetzt-erst-recht-Haltung entwickeln. In welchem System sie dann auflaufen werde, „das ist eigentlich total egal“.
Fotheringham ist selbst Spieler unter Felix Magath gewesen, 2014 beim FC Fulham war das. „Was ich da erlebt habe, war nicht normal“, sagt er. Obwohl das Team aus der Premier League abgestiegen war, habe Magaths Training immer noch ein Spitzenlevel erreicht, war eigentlich viel zu gut für eine Mannschaft aus der zweitklassigen Championship. „Ich war ein bisschen schlau und habe alle Trainingseinheiten dokumentiert und gesammelt“, erzählt Fotheringham.
Überhaupt ist seine Arbeit auch ein Resultat der eigenen Erfahrungen als Spieler. Fotheringham hat es gehasst, wenn ein neuer Trainer kam und der nicht mal wusste, wer ihm gerade gegenüberstand. Er selbst kannte schon beim ersten Training in Berlin von jedem seiner Spieler nicht nur den Namen, sondern sogar den Spitznamen. „Ich wollte, von Anfang an zeigen, ich habe Respekt vor den Jungs“, sagt er.
Fotheringham hat schon Schlimmeres erlebt
Welche elf von diesen Jungs gegen Hoffenheim auf dem Rasen stehen werden, wer auf die Bank muss und wer sogar auf die Tribüne – dazu hat sich Mark Fotheringham am Tag vor dem Spiel nur recht vage geäußert. Dass er in Sachen Aufstellungen eigene Vorstellungen hat, zum Beispiel bei der Besetzung der Torhüterposition, das hat er zumindest mal durchklingen lassen. Erst aber müsse er darüber noch „mit dem Boss diskutieren“.
Dass der Boss Felix Magath am Samstag nicht im Stadion sein darf, heißt ohnehin nicht, dass er keinen Einfluss nehmen wird. Der neue Cheftrainer werde jederzeit on air sein, sagt Bobic, vor dem Anpfiff per Video zugeschaltet und zur Mannschaft sprechen. Wenn das Spiel aber erst einmal läuft, dann ist Mark Fotheringham der Chef. Die Entscheidungen etwa über Aus- und Einwechslungen lägen komplett in seiner Verantwortung, erklärt Bobic. Schließlich bleibe keine Zeit, um zu sagen: „Warte mal, ich muss mal eben telefonieren.“
Fotheringham selbst ist bei dem, was auf ihn zukommt, „ganz, ganz entspannt“. Er habe in Deutschland schon viel erlebt, sagt er, musste als Co-Trainer beim FC Ingolstadt insgesamt dreimal in der Relegation ran. „Wir müssen locker bleiben“, sagt er. „Das ist kein Krieg. Das ist Fußball.“