Hertha BSC ist gegen den FC Bayern chancenlos
Fernab vom eigentlichen Geschehen spielte sich eine Szene ab, die allen Beteiligten von Hertha BSC durchaus Anlass zur Sorge geben musste. Der Großteil der Spieler des FC Bayern München feierte gerade den befreienden Treffer zum 1:0. An der Seitenlinie aber trafen sich Torhüter Manuel Neuer und Trainer Julian Nagelsmann zum Fachgespräch. Sie jubelten nicht, sondern feilten schon an möglichen Verbesserungen.
Sollten sie bei Hertha darauf gehofft haben, dass die Bayern die Dinge würden schleifen lassen, so mussten sie diese Hoffnung spätestens in diesem Moment wieder fahren lassen. Der Deutsche Meister und Tabellenführer der Fußball-Bundesliga erledigte seine Pflichtaufgabe gegen den Abstiegskandidaten aus Berlin mit der nötigen Seriosität.
Am Ende stand für die Bayern ein ungefährdeter 4:1 (2:0)-Erfolg. Hertha hingegen zeigte zumindest kämpferisch eine gute Antwort auf die Derby-Niederlage gegen den 1. FC Union. „Jeder ist hier gerannt und hat um sein Leben gespielt“, sagte der erst 17 Jahre alte Innenverteidiger Linus Gechter, der erstmals von Anfang an ran durfte. „Das haben die Fans auch von uns verlangt.“
Die Berliner waren ihrem Gegner allerdings in jeder Hinsicht klar unterlegen und mit dessen Klasse über weite Strecken auch eindeutig überfordert.
Nach der Enttäuschung unter der Woche im Pokal hatte Trainer Tayfun Korkut seine Startelf auf vier Positionen verändert. Marton Dardai, Linus Gechter, Peter Pekarik und Myziane Maolida rückten ins Team. Niklas Stark fehlte wegen einer Mittelfußverletzung, Lukas Klünter, Marco Richter und, etwas überraschend, auch Santiago Ascacibar saßen auf der Bank.
Fredrik Björkan feiert Bundesligadebüt
Dort saß erstmals auch Fredrik Björkan, Winterzugang aus Norwegen, und erstmals wieder Stevan Jovetic, der knapp 20 Minuten vor Schluss sein Comeback feierte. Davie Selke hingegen ist positiv auf das Coronavirus getestet worden.
Schon vor dem Anpfiff waren aus der Ostkurve „Wir woll’n euch kämpfen seh’n“-Rufe zu hören. Die Enttäuschung der Niederlage gegen den Lokalrivalen Union saß immer noch tief. Tags zuvor hatte sogar eine Ultra-Abordnung der Mannschaft eim Abschlusstraining einen Besuch abgestattet, um ihren Unmut kundzutun.
Die Spieler standen da wie dumme Schuljungs, als sie sich eine Standpauke anhören mussten, die mit den Worten endete: „Ihr reißt euch jetzt am Riemen, sonst zünden wir die nächste Stufe.“
In der Pädagogik gelten solche Methoden zurecht als veraltet. „Emotionen gehören dazu“, sagte auch Korkut. „Aber es gibt ganz sicher bessere Arten.“ Angst hat nur selten eine beflügelnde Wirkung, das war auch bei Herthas Aufstellung zu sehen. Korkut hatte sein Team in einem 5-3-2-System aufs Feld geschickt, um der bayrischen Offensivmacht zu begegnen. Die letzte Kette stand jedoch so tief, dass die Münchner im Mittelfeld wenig Gegenwehr verspürten.
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Deren Trainer Julian Nagelsmann verzichtete daher völlig zurecht auf die Besetzung der defensiven Außenpositionen und bot stattdessen fünf Stürmer auf.
Und dann schaltete sich auch noch Corentin Tolisso, einer der beiden Mittelfeldspieler, permanent ins Offensivspiel ein. Bei seinem ersten Tor nach nicht einmal zwei Minuten jubelte er allerdings noch sehr verhalten. Und das aus gutem Grund. Der Treffer wurde vom Videoassistenten wieder einkassiert. Die Bayern dominierten das Spiel von der ersten Sekunde, kamen immer wieder zu Gelegenheiten.
Hertha aber wehrte sich, und das wurde vom Publikum sehr wohl registriert. Wurde der Ball ins Seitenaus gegrätscht, gab es erleichternden Applaus von den Rängen, und als Hertha nach knapp 20 Minuten die erste Ecke bekam, war in der Ostkurve mehr Rabatz als beim Derby unter der Woche.
Ein Fan irritiert mit Pfiff
Mitte der ersten Hälft wagte sich Hertha selbst erstmals Richtung Bayern-Tor, doch mitten hinein in die kurze Drangphase mit zwei Abschlüssen fiel der Führungstreffer für die Gäste. Nach einer Flanke von Kingsley Coman traf Tolisso per Kopf zum 1:0. Marton Dardai, dem die fehlende Spielpraxis deutlich anzumerken war, und Maximilian Mittelstädt standen staunend daneben.
Dass die Bayern zur Pause nur 2:0 führten, war zum einen eine glückliche Fügung und zum anderen der einen oder anderen guten Parade von Herthas Torhüter Alexander Schwolow zu verdanken. Auch beim zweiten Treffer hatte er keine Chance. Thomas Müller kam nach einem Freistoß von Joshua Kimmich im Strafraum frei zum Abschluss. Das hatte er womöglich auch dem Fan auf der Tribüne zu verdanken, der Herthas Verteidiger mit einem Pfiff mitten hinein in die Ausführung irritiert hatte.
Die Gäste erwiesen sich für Hertha auch in der zweiten Hälfte als überaus fordernd, Chancen hatten sie weiterhin etliche. Doch weil sie beim Abschluss schluderten, blieben die Berliner im Spiel und hatten ihrerseits eine glänzende Gelegenheit, dem Ganzen einen neuen Dreh zu geben. Nach exzellenter Vorarbeit von Ishak Belfodil setzte Vladimir Darida den Ball aus fünf Metern am Tor vorbei.
Trainer Korkut reagierte nach knapp einer Stunde, wechselte gleich dreimal und verhalf unter anderem Björkan zu seinem Bundesligadebüt. Der Linksverteidiger deutete zumindest seinen Offensivdrang und seine Schnelligkeit an. Generell aber war Hertha weiterhin vor allem in der Defensive gefragt – und zumindest bis eine Viertelstunde vor Schluss ausreichend aufmerksam. Dann aber ging es dahin.
Leroy Sané (nach einem Fehler des sonst so starken Schwolow) und Serge Gnabry erhöhten auf 4:0, ehe der gerade eingewechselte Jurgen Ekkelenkamp noch einmal verkürzte. „Jetzt geht’s los!“ riefen Herthas Fans in der Ostkurve. Tatsächlich war es kurz danach vorbei.