Eisschnelllauf-Bundestrainer Alexander König: Grenzgänger auf eisigem Gelände
Es fällt noch immer schwer, sich Alexander König in einer anderen Sportart als dem Eiskunstlaufen vorzustellen. Seitdem er sechs Jahre alt war, trainierte und lebte er für diese Disziplin, in der er 1988 als Sportler mit Peggy Schwarz die EM-Bronzemedaille im Paarlauf gewann, und 30 Jahre später als Trainer Aljona Savchenko und Bruno Massot zur Olympia-Goldmedaille führte.
König, 56, trainiert weiterhin mit Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Klassen des Schul- und Leistungssportzentrums in Hohenschönhausen. Und er steht zur Verfügung, wenn die besten deutschen Eislaufpaare Rat brauchen. Dennoch sagt er: „Mein Schwerpunkt liegt ganz klar auf dem Eisschnelllauf.“
Nachdem König vor genau einem Jahr von seinem Posten als Paarlauf-Bundestrainer bei der Deutschen Eislauf-Union (DEU) entbunden wurde, dauerte es nicht lang, bis die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) die Anfrage stellte, ob er sich denn nicht vorstellen könne, das Amt des Bundestrainers in dieser Disziplin zu übernehmen – mit dem Schwerpunkt Wissenschaft sowie Aus- und Fortbildung.
Im Januar fand man schließlich zusammen. „Wenn man die Chance hat, eine Trainer-Koryphäe wie Alexander König für unseren Verband zu gewinnen, muss man sie professionell nutzen“, hatte Verbandspräsident Matthias Große über diese auf den ersten Blick ungewöhnliche Zusammenarbeit gesagt.
Mit den Wettkämpfen im norwegischen Stavanger an diesem Wochenende beginnt die neue Weltcup-Saison. Sie sind ein erster Nachweis, ob Signale des Aufbruchs erkennbar sind in dieser zuletzt so gebeutelten Disziplin. „Ich würde mich sehr freuen, wenn alle unseren Sportler in diesem Winter ihre persönliche Bestzeit laufen“, sagt König. „Dass die harte Arbeit, die hier alle täglich leisten, belohnt wird.“ Konkreter wird er nicht, das will König jenen überlassen, die eben schon lange im Eisschnelllauf tätig sind.
Ich sehe große Anstrengungen, wieder in ruhigeres Fahrwasser zu kommen und die Konzentration auf den Sport zu bündeln.
Alexander König über die Situation im deutschen Eisschnelllauf.
Zu Königs Aufgaben gehört es vor allem, die technischen Weiterentwicklungen im Auge zu behalten sowie Sorge dafür zu tragen, dass die Ausbildung neuer Eisschnellläuferinnen und Eischnellläufer vorankommt. Als langjähriger Trainer im Eiskunstlauf ist er mit den Organisationen und Prozessen im deutschen Spitzensport gut vertraut. „Natürlich kann ich vom einen zum anderen relativ gut rüberswitchen“, sagt er, „manchmal hat man auch Parallelen. Trainiert wird überall, kommuniziert wird überall.“ Letzteres oftmals aber wenig zielführend.
Sowohl beim Eisschnelllauf als auch beim Eisschnelllauf ging es in den vergangenen Jahren personell recht turbulent zu – immer wieder gab es Wechsel auf wichtigen Funktionärs- oder Trainerposten. „Ich kann für die DESG nur aus der jetzigen Perspektive sprechen, und da sehe ich große Anstrengungen, wieder in ruhigeres Fahrwasser zu kommen und die Konzentration auf den Sport zu bündeln“, sagt König. „Wenn wir es schaffen Kontinuität über eine oder noch besser zwei Olympiaden zu erhalten, würde sich unweigerlich auf die Stabilität, die Arbeitsprozessen und natürlich die Leistung auswirken.“
Königs Blick auf den Eiskunstlauf ist natürlich beeinflusst von den Vorgängen vor einem Jahr, als die damalige Verbandsspitze ihm überraschend offenbarte, dass seine Dienste nicht mehr gewünscht sind. „Von Enttäuschung bis Unverständnis ist da alles dabei“, sagt er.
Seit Ende Oktober verfügt die DEU über ein neues Präsidium, mit dem Journalisten Andreas Wagner an der Spitze. „Da muss man abwarten, ob es stark genug, beziehungsweise in der Lage ist, auch neue Wege zu gehen“, sagt König. Die Nicht-Kommunikation der vorherigen Verbandsführung war auch der entscheidende Grund, weshalb Olympiasiegerin Aljona Savchenko in den Niederlanden arbeitet, obwohl sie sich bei der DEU gerne eingebracht hätte.
„Natürlich wäre ich bereit, aber bislang war die Tür geschlossen, den Kontakt zu mir hat man nicht gesucht“, sagte sie anlässlich der Olympischen Spiele in Peking in einem Interview mit dem Tagesspiegel. „Es braucht vor allem eine gute Führung des Verbandes, in Deutschland fehlt es hier an Professionalität. Wenn man in andere Länder schaut, stehen vor allem ehemalige Topleute an der Spitze.“
Ähnlich wie bei den Eisschnellläufern wird es auch im Eiskunstlauf in dieser Saison darum gehen, individuelle Achtungszeichen zu setzen. Zumal sich das beste Paar der vergangenen Jahre Minerva Hase/Nolan Seegert getrennt hat. Hase trainiert inzwischen mit einem neuen Partner; König geht davon aus, dass die beiden ab der Saison 2023/2024 an Wettkämpfen teilnehmen können.
In den kommenden Tagen wird König aber aufmerksam beobachten, wie sich die Eisschnellläuferinnen und Eisschnellläufer schlagen werden. Nachdem die Berliner in der Vorsaison zum Pendeln gezwungen waren nach Erfurt zu pendeln, weil die die Berliner Eishalle saniert werden mussten, entsprechen die Trainingsbedingungen wieder den Ansprüchen.
Und das trotz der aktuellen Energiekrise. „Man ist über viele Jahre sehr verwöhnt gewesen, man hat das schnellste Eis produziert. Dabei hat man nicht auf die Betriebskosten geachtet“, weiß König. „Jetzt achten wir darauf. Die Bedingungen sind nicht mehr ganz so optimal, die Zeiten etwas langsamer, aber das ist ein Jammern auf ganz hohem Niveau. Wir sind froh, dass wir hier in Berlin Eis haben und trainieren können.“ Gleiches gilt für die Eiskunstläufer, denen sich König immer noch zugehörig fühlt.
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