Deutschlands erste Kunsthändlerin: Ausstellung zu Grete Ring in der Liebermann-Villa
Eine kleine Ausstellung in der Liebermann-Villa am Wannsee begibt sich auf die Spuren der ersten weiblichen Kunsthändlerin in Deutschland: Grete Ring (1887-1952). Im Berlin der zwanziger und dreißiger Jahre war sie als erfolgreiche Galeristin im Kunstsalon Cassirer über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt. Dennoch weiß heute kaum noch jemand, wer sie war.
„Mit dieser Ausstellung wollen wir Grete Rings Platz in der Kulturgeschichte ihrer Zeit wiederherstellen“, sagt die Leiterin der Liebermann-Villa Lucy Wasensteiner, die zusammen mit Viktoria Krieger auch Kuratorin dieser Ausstellung ist.
Obwohl sich die Ausstellung lediglich über vier kleine Räume erstreckt, merkt man ihr an, wie viele Briefe, Artikel und Archive durchforstet wurden, um so viel Material zum Wirken einer Frau zusammenzutragen. Man spürt förmlich, wie der Geist Grete Rings in jedem Raum anwesend ist.
Doch wie visualisiert man das Leben und Werk einer Kunsthändlerin? Nur Briefe und Kataloge auszustellen, wären ein bisschen mager. Wasensteiner gibt zu, dass das die größte Herausforderung war. Tatsächlich sollte bei den Besuchern Lesebereitschaft der Wandtexte und ein gewisser Spürsinn vorhanden sein, um Grete Ring näherzukommen.
Hier ist eine Ausstellung entstanden, die dem Betrachter eine philosophische Frage mit auf dem Weg gibt: Wie wollen wir erinnert werden? Was bleibt am Ende eines Lebens von einer Person übrig? Bei Grete Ring sind es Freundschaften und ihr materielles Erbe. So sind auf der einen Seite Archivfotos von Freunden, Briefwechsel und Porträts ausgestellt. Daneben finden wir Rings Publikationen, Fotos von ihrem Sommerhaus und einige Papierarbeiten aus ihrer Privatsammlung präsentiert.
Die Ausstellung zeichnet fragmentarisch das Bild einer modernen, selbstbewussten Frau, die sich in einer männerdominierten Branche zu behaupten wusste.
Ring war Einzelkind, blieb unverheiratet und hatte keine eigenen Kinder. Doch als Nichte von Max Liebemann pflegte sie eine enge Verbindung zu dessen Familie. Eine besonders innige Freundschaft verband sie mit ihrer zwei Jahre älteren Cousine Käthe, der einzigen Tochter der Liebermanns. In einem Raum der Ausstellung sind Schwarzweiß-Fotografien von Käthe und Grete gegenübergestellt, die die beiden jungen Frauen abwechselnd voneinander aufgenommen hatten. Die Leichtigkeit des Augenblicks und die Vertrautheit der beiden Frauen strahlen aus jedem der Bilder.
Die Tür zur Welt des Kunsthandels öffnete Max J. Friedländer für Grete Ring, der damalige Direktor des Berliner Kupferstichkabinetts. Er empfahl sie Paul Cassirer, dem zu jener Zeit wichtigsten Kunsthändler und Verleger Deutschlands. Ring fing 1918 bei Cassirer an, der mit französischen und deutschen Impressionisten, deutscher Avantgarde und frühen Expressionisten handelte. Neben Oskar Kokoschka, Max Slevogt und Lovis Corinth vertrat er vor allem Max Liebermann, von dem er über 2300 Werke vertrieb.
Bei Cassirer arbeitete zur gleichen Zeit auch Walter Feilchenfeldt. Die beiden avancierten bald zu seinen unentbehrlichsten Mitarbeitenden, denen er die Vertretungsmacht erteilte und sie später sogar zu Mitinhabern machte. 1926 dann brach das Unglück über Cassirer herein. Seine Frau reichte die Scheidung ein und er nahm sich noch im Büro des Anwalts das Leben. Anschließend übernahmen Feilschenfeldt und Ring die Geschäfte und behielten den Namen Cassirer als Firmenmarke bei. Laut Friedländer soll Ring „das kunsthistorische Herz der Galerie“ gewesen sein, während Feilchenfeldt die Finanzen verantwortete.
Van-Gogh-Fälschungen entlarvt
Das Duo leitete die Kunsthandlung äußerst erfolgreich, wovon einige spektakuläre Ausstellungen zeugen. Doch zu regelrechter Berühmtheit gelangten sie, als sie die Van-Gogh-Fälschungen entlarvten. 1928 organisierten sie eine große Van-Gogh-Ausstellung mit 92 Werken aus Privatsammlungen.
Sechs Bilder davon kamen aus dem Besitz eines gewissen Otto Wacker, der mit Expertisen vom holländischen Van Gogh-Experten Jacob-Baart de la Faille recht seriös wirkte. Als die Werke im Kunstsalon Cassirer eintrafen, nahm Grete Ring die Bilder in Augenschein. Später schrieb sie in einem Kunstmagazin, wie sie sofort erkannte, „dass die Bilder falsch sind […] vor dem schimmernden Hintergrund der echten Bilder, die den Cassirerschen Oberlichtsaal füllen, stehen die [Wacker-Werke] hilf- und gnadenlos wie Baumwollflicken auf einem Brokatgewand“.
Exil in London
Sie schaltete die Polizei ein und es kam zu einem Prozess. Bei den Untersuchungen dazu sollen zum ersten Mal Röntgenbilder eingesetzt worden sein. Es stellte sich heraus, dass Otto Wackers Bruder Leonhard die Bilder gemalt hatte und Otto kein Kunsthändler sondern Tänzer war. Im Landesarchiv Berlin finden sich heute noch Prozessfotos vom Fall Wacker. Reproduktionen davon sind in der Ausstellung zu sehen. Sogar zwei gefälschte Van-Gogh-Bilder konnten die Kuratorinnen Wasensteiner und Krieger auffinden und zeigen.
Walter Feilchenfeldt spielte eine große Rolle in Rings Leben. Ihm vererbte sie ihre Sammlung an Papierarbeiten, Korrespondenzen und Fotos. Und obwohl die Idee zur Ausstellung entstand, als die Nachkommen von Walter und Marianne Feilchenfeldt mit Briefen und Dokumenten aus dem Nachlass Grete Rings zur Liebermann-Villa kamen, finden sich in der Ausstellung nur wenig Spuren von ihm.
Mit der Machtübernahme Hitlers und dem offen ausgelebten Antisemitismus war das Ende der Kunsthandlung Cassirer in Berlin besiegelt. 1938 zog Ring mit 51 Jahren nach London und gründete die Firma Paul Cassirer Ltd. Feilchenfeldt sollte aus Amsterdam nachkommen, doch der Kriegsbeginn verhinderte dies. Er und seine Familie fanden Zuflucht in der Schweiz.
Mit Ring nach England floh ihre sehr gute Freundin Katerina Wilczynski, deren Porträt auch in der Ausstellung zu finden ist, ebenso wie ihre Zeichnung von Grete Ring. „Es ist anzunehmen, dass sie eine lesbische Beziehung führten, allerdings ist das nirgendwo belegt oder offen erwähnt“, formuliert es Wasensteiner vorsichtig.
Der letzte Raum zeigt einige Papierarbeiten aus Grete Rings eigener Kunstsammlung, die Feilchenfeldt inzwischen dem Ashmolean Museum der Oxford Universität gestiftet hatte. Darunter sind sowohl namhafte Franzosen wie Ingres, Renoir oder Cézanne vertreten als auch deutsche Größen wie Adolf Menzel, Carl Blechen und Carl Steffeck. Grete Ring starb 1952 im Alter von 65 Jahren an Leukämie im Kreise der Familie Feilchenfeldt in Zürich.