Der Boss der Gen-Z: Sam Fender live in Berlin

Bereits vor Anpfiff seines Konzerts in Berlin hatte Sam Fender Grund zum Feiern: Newcastle United, das Fußballteam seiner Heimatstadt, schlug am Sonntag im Finale des englischen Ligapokals den FC Liverpool mit 2:1 im Londoner Wembley-Stadion und holte damit den ersten nationalen Titel seit 1955.
„This already is the fucking best day of my life!“, bekennt der gegenwärtig berühmteste Sohn seiner Stadt schon in den ersten Minuten seines rund anderthalbstündigen Sets. Zu Ehren des Teams spielen er und seine siebenköpfige Band in schwarz-weiß-gestreiften Trikots Mark Knopflers „Going Home: Theme of the Local Hero“. Schon jetzt kann an diesem Abend nichts mehr schiefgehen für den 30-jährigen Musiker.
In England ist er seit nunmehr sechs Jahren der Mann der Stunde. Einen Namen machte er sich als unaufgeregter Normcore-Typ mit Jeansjacke und Gitarre, der aus seiner Vorliebe für Bruce Springsteen und The Killers keinen Hehl machte.
Tickets für seine Konzerte im Ausland waren ein wenig leichter zu kriegen als für seine Heimspiele. Da hast du fast keine Chance.“
Aus Newcastle angereister Fan Dan Thompson
Daran hat sich auch auf seinem dritten UK-Nummer-1-Album „People Watching“ musikalisch nichts Grundlegendes verändert. Und auch in seinen Texten über Obdachlose, Working Class Heroes, orientierungslose Jugendliche, Suizidgefährdete, Opfer häuslicher Gewalt und Menschen mit Depressionen gibt er seine Stimme wieder all jenen, die sonst keine haben. Trotz seiner zwischenzeitlichen Rockstarwerdung verbindet Fender weiterhin Bodenständigkeit, Sehnsucht, Hoffnung und Optimismus.
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Viele britische Fans sind im Publikum
„People Watching“, konsequenterweise produziert von Adam Granduciel, Chef der ebenfalls Springsteen-affinen Band The War On Drugs, sowie Markus Dravs (Arcade Fire, Coldplay, Mumford & Sons), war im Februar auf der Insel das am schnellsten verkaufte Album eines britischen Musikers seit „Harry’s House“ von Harry Styles.
Kein Wunder, dass Fenders rhetorische Frage „How many Geordies are here?“ in der so gesichtslosen wie klanglich überzeugenden Uber Eats Music Hall in Fangesängen untergeht: Das Publikum in Berlin besteht gefühlt zur Hälfte aus Brits.
Dan Thompson etwa ist mit seiner Freundin aus Newcastle angereist und erklärt in der Bierschlange mit Literkrug in der Hand: „Wir Geordies sind stolz auf unsere Lokalhelden. Wir würden ihnen überall hin folgen. Und: Tickets für seine Konzerte im Ausland waren zumindest zum Vorverkaufsstart ein wenig leichter zu kriegen als für seine Heimspiele. Da hast du fast keine Chance.“
Den Rest der 4500 Anwesenden, zwischen 20 und 70 in allen Altersklassen, wickeln Fender und seine spielfreudigen und mittanzenden Kolleginnen und Kollegen an Gitarren, Keyboard, Saxofon und Trompete, Schlagzeug, Percussion, Bass und Backgroundgesang wenn nicht schon bei der gleichnamigen „People Watching“-Leadsingle um den Finger, dann spätestens bei den Mitsingchören von „Seventeen Going Under“.
Mitsinghymne „Hypersonic Missiles“
Davor präsentiert diese Indie- und Heartlandrock gewordene Version von Newcastle United ein kleines Best-of ihres bisherigen Schaffens, mit „Tyrants“ eine neue B-Seite, bei „The Borders“ einen Fan namens Ben an der Akustischen und durch einen Neustart von „Spit Of You“, weil Fender den Text vergisst, in seiner Generation längst nicht mehr selbstverständliche Selbstverständlichkeiten: „Fuck, this is live!“
Die größte, unter digitalem Konfettiregen an der mit Zitaten und Familienfotos versehenen LED-Wand unter- und aufgehenden Mitsinghymne aber ist „Hypersonic Missiles“ von Fenders gleichnamigem Debüt. Dessen „Oh ho ho oh hoh ho oh“-Chor hallt aus den Kehlen der textsicheren Fußball- und Fender-Fans auch nach Feierabend noch lange nach.