Bob-Dominator Francesco Friedrich: Wie schwer ist er wirklich verletzt?
Es ist das beherrschende Thema am Eiskanal verbunden mit der einen großen Frage, auch in diesen Tagen beim Weltcup in Altenberg wieder: Wie schwer ist Francesco Friedrich denn nun verletzt? Die Ergebnisse nach seinem Muskelfaserriss im Adduktorenbereich, den er sich kurz vor dem Jahreswechsel beim Training zugezogen hat, lassen Konkurrenz und Fans jedenfalls gleichermaßen rätseln.
Beim Weltcup eine Woche später in Winterberg belegte Team Friedrich die Plätze sechs (Zweier) und eins (Vierer), zuletzt am ersten von zwei Wochenende in Altenberg waren es die Ränge drei (Zweier) und vier (Vierer) und und am Samstag wurde er bei der EM an gleicher Stelle im Zweierbob hinter Johannes Lochner und dem Schweizer Michael Vogt Dritter.
Fest steht: Der Weltklasse-Pilot aus Pirna, seit 2017 in allen großen Rennen unbesiegt und in seiner Sportart so dominant wie keiner vor ihm, ist nicht im Vollbesitz der Kräfte und durch die Verletzung vor allem am Start stark gehandicapt.
Passiert ist es in Dresden im Training beim letzten Sprunglauf, die Ursachen aber liegen bei den Weltcups zuvor in Nordamerika, als Friedrich auf den schwierigen Bahnen in Whistler und Lake Placid mehrmals im Training gestürzt war. „Vieles rührt vermutlich davon. Ich hatte danach Probleme mit dem Rücken, viele Kleinigkeiten und Blockaden, die nicht von jetzt auf gleich verschwinden. Im Hinblick auf die WM habe ich weitertrainiert – und so ist es dann halt passiert“, erzählt Friedrich, der sich seitdem in einem Wettlauf gegen die Zeit befindet. „Es darf jetzt nichts mehr dazwischenkommen. Jede unkontrollierte Bewegung“, betont er, „könnte das Aus für die WM bedeuten.“
Friedrich will den achten WM-Titel nacheinander im Zweier
Eine Verletzung ist nie gut, diese aber kommt zur Unzeit. Denn ziemlich genau vier Wochen nach dem Muskelfaserriss, den er zunächst noch kleinredete, will er am 29. Januar bei der WM in St. Moritz zum achten Mal hintereinander Weltmeister im Zweierbob werden. Auf jener traditionsreichen wie prestigeträchtigen Natureisbahn, wo seine erfolgreiche Karriere mit dem ersten WM-Titel ihren Anfang nahm. Als damals 22-Jähriger kürte sich Friedrich zum jüngsten Zweier-Weltmeister überhaupt.
Was diesmal möglich ist, scheint völlig offen – wie die Rennen nach der Verletzung beweisen. Vor allem im kleinen Schlitten ist das Handicap am Start beträchtlich und oft auf der Strecke nicht mehr wettzumachen. Zumal Johannes Lochner, der die letzten drei Zweier-Weltcups gewann und mit dem für den BSC Sachsen Oberbärenburg startenden Fleischhauer den momentan besten Anschieber hinter sich weiß, so entspannt und gleichermaßen gut wie noch nie fährt und deswegen bei der WM Großes vorhat. „Ich war so oft Zweiter, ich will gewinnen. Das Einzige, was mir noch fehlt, ist ein Zweier-Titel.“
Neben Lochner gibt es inzwischen mit dem Briten Brad Hall, der in dieser Saison endgültig in der Weltspitze angekommen ist und vergangenen Sonntag das Viererrennen in Altenberg für sich entschied, einen weiteren Top-Favoriten für den Saisonhöhepunkt in der Schweiz.
Und Friedrich? „Behandeln, behandeln, behandeln“ lautet sein Programm in diesen Tagen. Dass vor der WM gleich zwei Weltcups auf seiner Heimbahn stattfinden, erweist sich dabei als Glücksfall. So kann er seine vertraute Umgebung und das längst eingespielte Team wie den Pirnaer Osteophaten Stefan Haustein nutzen. Er kennt Friedrich, dessen Körper und auch die Problemstelle Adduktor. Aus München reiste vergangene Woche zudem vorzeitig Brigitte Schmailzl an. Die Physiotherapeutin und Heilpraktikerin behandelt Friedrich seit Jahren – und hatte beispielsweise entscheidenden Anteil, dass er bei der WM 2019 in Whistler mit einem im ersten Lauf erlittenen Muskelfaserriss zum Titel im Vierer fahren konnte.
Inzwischen sind einige Wochen seit der Verletzung vergangen, der Faserriss könnte also fast komplett verheilt sein. Offen ist, wie sehr der Muskel schon wieder belastet werden kann. Genaues verrät Friedrich dazu natürlich nicht, das gehört so kurz vor der WM zur psychologischen Kriegsführung dazu. Mal gehe es besser, mal fühle es sich wieder schlechter an. „Ich muss genau in mich reinhören, muss auf jedes Detail achten und darf nicht zu viel riskieren“, verdeutlicht Friedrich, dessen Start-Nachteil im Viererbob mit drei Anschiebern naturgemäß nicht ganz so gravierend ist.
Der Führende im Weltcup, im Zweier mittlerweile Lochner und im Vierer noch immer Friedrich, darf als erster seine Startnummer wählen, danach der Zweitplatzierte und so weiter. Auf der Natureisbahn in St. Moritz könnte sich das als ein wesentliches Puzzleteil im Rennen um die Medaillen erweisen. Friedrich gibt sich optimistisch: „Wir sind auf einem guten Weg und hoffen auf eine Punktlandung in St. Moritz.“ Es wäre nicht das erste Mal.
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