Architekturbiennale in Venedig: Die Traditionen afrikanischer Regionen
Dass die Inszenierung Teil der Gesamtwirkung ist, wissen Maler, Dichter, Theaterleute, auch Architekten. Wenn einer wie der nigerianische Künstler, Schriftsteller, Theoretiker und Kulturpolitiker, nicht zuletzt viele Generationen prägende Lehrer Demas Nwoko alle diese Felder bearbeitet hat, kann man davon ausgehen: Die Fotos des 1935 geborenen Mannes sind auch auf die Wirkung hin komponiert.
Schon im Alter von etwa 20 Jahren ließ er sich, die Unabhängigkeit Nigerias von der britischen Kolonialmacht wurde absehbar, als romantischer Denker ablichten. Heute zeigt er sich im weiten weißen Gewandt in geradezu erhabener Altersweisheit.
Eigene afrikanische Moderne
Am Sonntag erhält Nwoko in Venedig den Goldenen Löwen der Architekturbiennale für sein alle diese Künste umfassendes Lebenswerk. Er wird gefeiert als einer derjenigen, die ein Leben lang eine eigene afrikanische Moderne gefordert haben, die sich aus den Traditionen der afrikanischen Regionen heraus entwickelt, auf das Klima und die sozialen Strukturen Rücksicht nimmt, ohne deswegen ästhetisch traditionalistisch zu sein.
Nwoko, und auch das macht diese Auszeichnung so wichtig, war einer jener in postkolonialen Debatten viel zu leicht übersehenen, oft aus alten Adelsfamilien stammenden Reform -Konservativen, die gegen die Übernahme jedweder -ismen aus Europa und Nordamerika fochten. Also gegen den Einfluss der Sowjetunion, aber auch gegen jenen International Style, der als „Tropische Moderne“ vor allem von Großbritannien und Frankreich in der Nachkriegszeit intensiv befördert wurde, um den politischen Einfluss über die Dekolonisierung hinaus kulturell dauerhaft zu befestigen, wie eine brillante Ausstellung des Londoner Victoria & Albert Museums in Venedig zeigt.
Nwoko dagegen zeigt in seinen Bauten zwar deutlich den britischen Einfluss: Sichtbare Betonkonstruktionen, die durch Ziegelsteine ausgefacht werden, oft in 45-Grad-Winkeln zueinander versetzten Räume und geometrisch strikte Grundrisse. Aber all das findet man weltweit, in Afrika, auch in Skandinavien oder Nordamerika. Es waren die Formen des Wohlfahrtsstaats, also des Versuchs, eine soziale, aber nicht staatssozialistische Gesellschaft zu begründen.
Er verbindet dieses Grundgerüst zudem mit freien Formen, die unwillkürlich an den großen katalanischen Architektur-Nationalisten Antonio Gaudi erinnern, sowie einer Funktionsverteilung, die, wie er in seinen vielen – leider noch nicht ins Deutsche übersetzten Schriften immer wieder betont, spezifisch „afrikanisch“ sein sollen. Genau so wird dies Werk inzwischen auch weltweit gelesen: Als Beitrag zu einer postkolonialen Architektur, die die Erfahrungen der Kolonialzeit mit in das eigene Geschichtsbewusstsein einbaut.